Eine Podiumsdiskussion zum Thema Roma in Frankfurt

Informationen zu den Ursachen der Migration und gelungener Hilfe

Eine Podiumsdiskussion zum Thema Roma in Frankfurt
© Foto: R2D2


Exakt hieß das Thema des Abends „Roma in Frankfurt: Am Rande der Gesellschaft“. Der Leopold-Sonnemann-Saal im Historischen Museum war am Abend des 28. November 2013 bestens mit rund 200 Interessierten gefüllt. Bekanntlich ist die sog. Armutseinwanderung vor allem von Roma aus Rumänien und Bulgarien nach Frankfurt im hohen dreistelligen Bereich bereits zum Problem geworden, noch bevor am 1.1.2014 die letzten Schranken für Angehörige dieser zwei neuen EU-Länder fallen werden: Die Wohnsituation in Frankfurt ist angespannt. So lagerten in der warmen Jahreszeit Roma auf der Zeil, am Mainufer und im Fechenheimer Wald, inmitten von Müll und Fäkalien - eine unhaltbare Situation. Und auf dem für Ungelernte wenig aussichtsreichen  Frankfurter Arbeitsmarkt haben sie auch keine Chance. Aggressive Bettelei, Prostitution und Kleinkriminalität sind die unausweichlichen Folgen, eine ebenfalls unhaltbare Situation.

Wenige Tage zuvor, am 26. November 2013 war zum Thema erstmals ein Runder Tisch zusammen gekommen: Mehrere Dezernenten und Amtsleiter sowie die Spitzen der Frankfurter Polizei nahmen teil. Letztere stellten Erkenntnisse vor, dass vor allem die Vermittlung von Unterkünften und auch die Prostitution von professionell organisierten Netzwerken dominiert würden. Wenn also die Stadt nicht endlich handelt, übernehmen das kriminelle Organisationen! Ein Vertreter der Stadt Mannheim berichtete von den hier noch gravierenderen Auswirkungen der Armutszuwanderung aus Südosteuropa. Zu ersten Lösungsansätzen zu diesem Problem kam man nicht. Man wolle aber wieder zusammentreten.

Zwei Tage später also diese öffentliche Veranstaltung. Die Gastgeberin, Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), erläuterte eingangs, warum diese Veranstaltung in Kooperation mit dem Historischen Museum stattfindet: Sinti und Roma sind schon seit etwa 600 Jahren auch hier ansässig, wurden auch in Kaiserreich und Weimarer Republik diskriminiert. Bei den Nationalsozialisten wurden sie dann endgültig ausgegrenzt. Schließlich wurden 500.000 in den KZs ermordet. „Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung für den Schutz der größten Minderheit Europas“, schloss sie daraus. „Einen EU-Bürger 2. Klasse darf es nicht geben!“ Kräftiger Applaus.

Neben sozialen Hilfen müsste den Sinti und Roma Zugang zu Bildung verschafft werden: „Wir müssen Brücken in ein selbst bestimmtes Leben bauen!“ Woher die finanziellen Mittel dafür her kommen sollen, ließ Eskandari-Grünberg offen. Bekanntlich ist die eigentlich reiche Stadt Frankfurt so hoch verschuldet, dass man gezwungen ist, in den Schwimmbädern „Babyzoll“ zu entrichten, Gehbehinderten die Taxikosten zu kürzen, was ihre Teilnahme am sozialen Leben erheblich reduziert und die Grundsteuer zu erhöhen, die dann von den Vermietern auf die Mieter abgewälzt wird, wodurch die Mieten noch mehr explodieren. Hier nur diese drei Beispiele …

Ein Kenner der Situation der Roma in Südosteuropa:

Norbert Mattes-Niedieck, als Journalist Südosteuropakorrespondent für Deutschlandfunk und Frankfurter Rundschau, er schrieb auch das Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“, klärte auf: Zehn Prozent der Roma in Südosteuropa sind nicht arm. Sie leben auf den Dörfern. Und diese wandern auch nicht aus. Doch die große Mehrheit lebt in städtischen Slums, wie die Integrationsdezernentin schon eingangs erwähnte „unter unvorstellbaren Verhältnissen“, ohne fließend Wasser, ohne Toiletten, ohne Arbeit. Diese Situation sei erst, so Mattes-Niedieck, ab 1990 entstanden: nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und damit der Industriegebiete. Dies gelte auch für Ungarn und die Nachfolgestaaten von Jugoslawien. Die einfachen Jobs wie in der Gebäudereinigung und der Abfallbeseitigung, wo die meist wenig qualifizierten Roma einen sicheren Arbeitsplatz hatten, fielen als erstes weg. Schließlich gab es in Südosteuropa rund 4 Mio. Arbeitslose, fast alle wenig qualifiziert. „Alte Roma haben alle eine Erwerbsbiografie. Und diese trauern dem Sozialismus am meisten hinterher.“

„Zehntausende von ihnen kamen in den 60er und 70er Jahren aus Jugoslawien nach Deutschland, aus Arbeit in Arbeit. Natürlich sagten sie nicht, dass sie Roma sind.“ Und dann redete Mattes-Niedieck den versammelten Gutmenschen nach dem Wort: „Wir als Gesellschaft müssen beweisen, ihnen mehr als Sicherheit zu bieten.“ Klar, dass da kräftiger Applaus aufbrandet. Denn die, die heute kommen, sind so gut wie alle Roma in ihren Herkunftsländern arbeitslos. Und Mattes-Niedick setzt noch einen drauf mit der Frage: „Sind es allein die kulturellen Unterschiede, die die Integration verhindern?“ Nun gilt bekanntlich in Frankfurt seit letztem Jahr statt des Integrations- das Diversitätskonzept, wo jede andere als die deutsche Kultur als „verschieden“ und gleichwertig zu tolerieren ist, neben der der Eingeborenen – oder Ureinwohner.

Mattes-Niedieck nun zur Roma-Kultur: Es gebe sie, aber am wenigsten in den städtischen Slums Südwesteuropas. Denn eine ganze Generation von Roma in Osteuropa hat in den letzten Jahren erfahren, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen guter Bildung und gutem Leben: „In der europäischen Union sollte es selbstverständlich sein, ein Dach über dem Kopf zu haben, im Winter Energie zum Heizen, genug zu essen.“ Wieder Applaus. Rumänien rufe nur 17 % der Gelder für Soziales aus den Europäischen Fonds ab: „Wir brauchen eine Europäische Sozialpolitik!“ Erlaubt sich der Berichterstatter die Frage: Wenn dem so ist, warum zwingt niemand in der EU die rumänische Regierung, die ihnen zustehenden 100 % abzurufen und das von ihr verschuldete Elend der Roma nicht einfach zu exportieren?

Ein Beispiel für gelungene Selbsthilfe ausgerechnet aus Berlin-Neukölln:

Daniel Ibrahimovic ist Roma aus Ex-Jugoslawien. Heute ist er der Leiter der Bildungsstätte des Jugendhilfeträgers Aspe in der Harzer Straße, Berlin-Neukölln. Hier, in einem Wohnprojekt leben 300 Menschen. 70 % sind Roma, der Rest gemischt. Alle sind evangelisch-freikirchlich. Das vereinfacht das Zusammenleben. Als erstes stellte Ibrahimovic fest, als er nach Deutschland kam: „Man redet nur über die Roma, nicht mit ihnen.“ Man betrachtet sie nicht als Menschen, wo doch „Rom“ in der Roma-Sprache Romanes „Mensch“ bedeutet. Sie sind dreckig, klauen, auch kleine Kinder, so wird gesagt. In der Harzer Straße wurde von der Aachener Wohnungsbaugesellschaft „eine Müllhalde mit Ratten“ angemietet und Stück für Stück in Eigenhilfe saniert. Die Roma haben mitgebaut und heute, zwei bis drei Jahre nach der Sanierung sehe es immer noch so aus wie neu. Und eben nicht wieder runtergekommen, wie “man“ es erwartet habe.

Moderator Rösmann fragt: „Welche Rolle spielen Sprache und Bildung in ihrem Projekt?“ Man habe eigene Sprachkurse für Kinder im Vorschulalter aber auch in Kooperation mit Grundschulen in der näheren Umgebung. Und man setzte Roma und Nichtroma im Kurs nebeneinander. Die Schulen wollten zwar keine Roma-Kinder, doch „alle Kinder, die hier wohnen, gehen regelmäßig zur Schule.“ Ob man Schwierigkeiten mit dem Projekt bei den Nachbarn habe, so Rösmanns zweite Frage: Ja, mit den Nicht-Roma wegen der Stigmatisierungen. Als man den Abschluss eines Bildungskurses mit einem großen Grillfest gefeiert habe, gab‘s Beschwerden aus der muslimischen Nachbarschaft hoch bis zum Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky: „Hier stinkt’s nach Schwein!“ Stille im Saal …

Erfahrungen des Fördervereins Roma in Frankfurt:

Joachim Brenner, Geschäftsleiter des Fördervereins berichtet auch bei seiner Klientel von Erfahrungen der Ausgrenzung. Dabei sei deren Verhalten keine Provokation der hiesigen Menschen, sondern müsse als Ausdruck von Elend und Armut begriffen werden. Sabine Ernst, Leiterin der Kita „Schaworalle“ des Fördervereins zum bisherigen Erfolg: „1996 fingen wir an und haben heute etwa 100 Kinder, vom Kleinkind bis zum Schüler mit Hauptschulabschluss.“


D. Schreiber

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