Schwarz-Grün in Hessen: Frankfurt kennt dieses Übel
Die CDU weiter auf dem Selbstaufgabe-Trip

Gerade hörte ich im Radio einen hessischen Grünen-Politiker, der behauptete, seine Partei (Wahlergebnis 2013: 11,1 Prozent) befinde sich auf Augenhöhe mit der CDU (Wahlergebnis 2013: 38,3 Prozent) und im Koalitionsvertrag dominiere die Handschrift seiner Partei. Der Mann ist kein Aufschneider, er hat Recht. Denn selbstverständlich geben nicht die Grünen wesentliche Positionen ihrer Politik und noch viel weniger ihrer Identität und Charakters auf, sondern es ist die CDU in Hessen, die nun auch noch die letzten Altbestände an bürgerlich-konservativen Überzeugungen und Glaubwürdigkeit abräumt, um weiter in der Regierung und auf den Rücksitzen der Dienstlimousinen zu bleiben. Ich wähle bewusst das Wort „abräumen“ statt „opfern“, denn geopfert werden kann nur, was als wirklich wichtig, ja eigentlich sogar unverzichtbar galt.
Davon kann bei der CDU aber keine Rede mehr sein. Die einzige verbliebene feste Überzeugung dieser geistig und charakterlich so unheilbar ausgebluteten Partei und ihres Personals ist der Wille zur Macht – um jeden Preis, zu jedem Preis. Das haben Angela Merkel und die Bundes-CDU in Berlin sehr eindrucksvoll – vorerst mit der SPD, demnächst mit den Grünen - demonstriert, das machen Volker Bouffier und die Hessen-CDU nicht anders. In Frankfurt, wo seit 2006 CDU und Grüne die fünftgrößte Stadt Deutschlands beherrschen, ist längst schon klar, wer von diesem Bündnis mehr profitiert, ja politisch und gesellschaftlich überhaupt nur profitiert: Die Grünen. Es gilt die Regel: Wer mit den Grünen ins Bett geht, wird bettlägerig aufwachen. Wer den jämmerlichen Zustand der Frankfurter CDU kennt, wird keinen Zweifel an dieser Erkenntnis haben.
Diese Frage ist allerdings zu beantworten: Warum tut die CDU das, was ihr zwar kurzfristig den Machterhalt sichert, sie aber langfristig zerstören wird? Die erste und einfachste, aber deswegen nicht falsche Antwort ist: In dieser Partei wird nicht mehr langfristig gedacht, sondern nur von einer Wahlperiode zur nächsten. Doch die weitere Antwort geht tiefer und ist von größerer Bedeutung: Die CDU im Bund wie in Hessen ist die wirksamste Interessenvertretung derjenigen, die von den gegenwärtigen Zuständen in der Wirtschaft und der Sozialordnung am meisten profitieren, die also keinerlei Interesse an Veränderungen in diesen beiden Bereichen haben. Zugleich ist es dieser mächtigen Minderheit, die eher in Bad Homburg als in Frankfurt-Sossenheim wohnt, völlig egal, welche mehrheitsfeindlichen Absurditäten die Grünen von „Gendermainstreaming“ über „Vielfalt“ bis „Anti-Diskriminierung“ gesellschaftspolitisch nun auch in Hessen dank der neuen Koalition durchsetzen können und auch werden.
Solange Privatkindergärten, Privatschulen, Privatuniversitäten und das Erbschaftsrecht nicht in Gefahr geraten, solange Moscheen in Frankfurt-Griesheim, aber nicht in Kronberg gebaut werden, solange die Wohngebiete der Besserverdienenden nicht von Armutseinwanderern und Flüchtlingsunterkünften berührt und Multikulti-Massen nicht die Villenviertel aufmischen, wird es die tatsächlich Mächtigen nicht sonderlich beunruhigen, dass der berufslose Berufspolitiker Tarek Al-Wazir seinen Lebenstraum realisiert und dafür zuverlässig denjenigen zu Diensten sein wird, die sich nicht der aufreibenden Mühsal eines Politikerlebens zur Erlangung der komfortablen Pensionsberechtigung und eventueller Ministerehren aussetzen müssen und wollen, weil ihre Macht und Möglichkeiten ganz andere Quellen haben.
Da es keinerlei registrierbaren Widerstand in Wirtschaft und Finanzen gegen die Bildung der schwarz-grünen Koalition zu vermelden gibt, wird deutlich, dass es offenbar sogar ganz im Sinne dieser tatsächlich Mächtigen ist, wenn die Grünen gesellschaftspolitisch ihr Zerstörungswerk an der gewachsenen Kultur, an der nationalen Identität, an überdauernden Werten sowie den guten Sitten weiter vorantreiben können. Am Ende dieser Entwicklung wird jedoch unweigerlich auch die marktwirtschaftliche Sozialordnung in Frage gestellt, also werden dann auch und nicht zuletzt diejenigen bedroht, die von Egoismus und Eigennutz verblendet nicht erkennen wollen und können, dass schon in der nächsten ökonomischen Krise, die durchaus systembedrohend werden könnte, die moralische, ethische, sittliche und kulturelle Substanz im deutschen Volk sich als zu schwach erweisen könnte, um wie nach den Katastrophen von Weltkriegen, Inflationen und Vertreibungen im 20. Jahrhundert wieder Halt und Stabilität zu finden.
Es wäre allerdings naiv zu übersehen, wie sehr nackter Ökonomismus und kurzfristiges Nützlichkeitsdenken der CDU mit gleichen oder ähnlichen Tendenzen in einer Bevölkerung, die nicht mehr gerne Volk genannt werden will, korrespondieren. Was in Wiesbaden geschieht, mag etlichen Wählern der CDU als Zumutung, ja als unzumutbar gelten. Ein politischer Putsch ist es aber nicht. Denn in Frankfurt konnte jeder, der wollte, über etliche Jahre beobachten, wie sich ein Bündnis von CDU und Grünen auswirkt – wer davon profitiert und wer dabei verliert. Die CDU in Frankfurt hat in dieser Zeit nicht nur Prozente, Sitze und auch das Oberbürgermeisteramt eingebüßt, sondern viel schlimmer: Sie hat auf ihrem Selbstaufgabe-Trip jegliche Reste an Charakter und Selbstachtung verspielt und verloren. Es gibt keinen Grund, warum es der CDU in Hessen besser ergehen sollte.
Denn die Grünen sind tatsächlich schon „auf Augenhöhe“. Die CDU wird hingegen eines nicht mehr so fernen Tages ihre Augen für immer schließen, dann endgültig erloschen an Substanz. Einen Verlust wird man das nur jedoch nur nennen, wenn sich bis dahin nicht Besseres für all jene findet, die bürgerliche Werte und Glaubwürdigkeit auch in der Politik suchen. Dieses Bessere zu suchen, zu begründen und zu festigen, ist nach den Koalitionsereignissen in Berlin und Wiesbaden dringlicher denn je.
Wolfgang Hübner, 19. Dezember 2013