2. Runder Tisch in Frankfurts Allerheiligenviertel
Nicht die Prostitution ist das Problem

Eigentlich ist das Allerheiligenviertel südlich der schmuddeligen Ost-Zeil und nördlich der östlichen Battonstraße das Billig-Puff-Viertel Frankfurts. Aber es sind weder Zuhälter, Prostituierte noch Freier, die hier Probleme machen. Es sind Kleindealer, durch die Videokameras von der Konstablerwache vertrieben, Hehler und Eckensteher. Hier blüht die Kleinkriminalität, empfinden die Anwohner Unsicherheit. Es war recht informativ, was man da beim 2. „Runden Tisch Allerheiligenviertel“ am 10.12.13 im Auditorium des Amtes für Gesundheit so hörte. Dieses liegt in der Breite Gasse, also mitten im Problemviertel. Und das Auditorium war mit über 65 Gekommenen so voll von besorgten Bürger/innen, dass noch extra Stühle herbeigeschafft werden mussten.
Evanthia Triantafillidou, Ortsvorsteherin des Ortsbezirkes 1, zu dem auch die Innenstadt gehört – sie sitzt für die Grünen auch als sog. „Doppeldeckerin“ im Römer, wenn auch in der allerletzten Reihe – begrüßte neben den Fachleuten aus Stadtverwaltung und Polizei auch einige ihrer Ortsbeiratskollegen. Dies sei nun nach drei Monaten das 2. Treffen des Runden Tisches. Die Stadt Frankfurt habe in der Zwischenzeit mehrere Restaurants im Viertel überprüft. Gegen das Wort „Razzia“ wehrte sie sich, will es nicht hören. Was denn sonst? Etwa „Visite“? Das klänge ja nach Krankenhaus, dass also hier im Viertel was krank ist. Oder „Visitation“? Das klänge nach Protzbischof und verprasste zig Millionen. Jaja, die Grünen mit ihren die Realität vernebelnden Sprachregelungen … Dann gab die Ortsvorsteherin noch bekannt, dass zwischenzeitlich Ordnungsdezernent Markus Frank habe verlauten lassen, längerfristig sollten im Viertel 130 Wohnungen eingerichtet werden.
Dann endlich fundierte Informationen von Matthias Heinrich, im Ordnungsamt Leiter der Stadtpolizei: Deutlich erhöht habe man Streifen per PKW und zu Fuß. In den letzten drei Wochen sei jede Gaststätte und jede Shisha-Bar ein- bis zweimal pro Woche durchsucht worden. Mit Einzel- und Massendurchsuchungen, mit mehreren Beamten und Fahrzeugen.
Die Ergebnisse dieser Maßnahmen präsentierte Hartmut Scherer, Leiter des 1. Reviers, mit seinen zwei goldenen Sternen auf der Schulterklappe als Polizeioberrat ausgewiesen: In den Monaten Mai bis Juli wurden 50 bis 70 „Vorfälle“ protokolliert, in den Monaten September bis November habe sich diese Zahl nahezu halbiert. Zehn Festnahmen habe es gegeben. U. a. Jugendliche „mit nordafrikanischem Hintergrund“ hätten älteren Damen ihre Goldketten geklaut. Allgemein „sehr geringfügige Verstöße“, wobei bei Vorliegen eines festen Wohnsitzes alle wieder auf freien Fuß gesetzt wurden.
Der Straßenhandel mit weichen Drogen (Haschisch, Marihuana) – kleine Mengen – sei konstant geblieben: Für zehn Personen seien für drei Monate Aufenthaltsverbote ausgesprochen worden. Bei der Kontrolle von Gaststätten und Spielotheken habe man viele Verletzungen des Ausländergesetztes festgestellt, wenige Verstöße gegen das Waffengesetz und Körperverletzungen. Alles etwa auf dem Stand des Vorjahres. Da schaltete sich die Ortsvorsteherin ein: Sie habe von den Anwohnern gehört, sie hätten Angst, Vorfälle zur Anzeige zu bringen, da sie mit Reaktionen von Tätern rechneten.
Die Bürger schalten sich ein
Ein Bürger: „Da sind die falschen Kneipen kontrolliert worden. Und die wissen, wann die Polizei kommt. Allerdings sei es im Viertel ruhiger geworden, vor allem die Musik von den Kneipen. Eine Bürgerin dankte der Polizei für ihre Arbeit. Ein Hausmeister dagegen: Es gäbe weiter Schlägereien, Drogenhandel, betrunkene und/oder berauschte Dealer. In den Hinterhöfen würden geklaute Designer-Klamotten und Handys gehandelt. Den Kneipiers sei nur der Umsatz wichtig. Sie böten einen Schutzraum für Dealer. Es sei stiller geworden, aber nicht besser. Dazu Frank Goldberg, Leiter des Präventionsrates: „Wir haben hier Leerstände, weil die Miete zu hoch ist. Da sind dann Leute drin, die wir hier nicht haben wollen.“
Nächste bittere Äußerung über Lärmbelästigung Klingerstraße Ecke Allerheiligenstraße: Hier sei jede Nacht Lärm und Schlägerei. Doch die Polizei nähme keine Anzeigen an mit der steten Bemerkung: „Die Situation ist uns bekannt.“ Empörte sich ein jüngerer Bürger: Machen Sie da mal nix im Nordend am Friedberger Platz!“ Dagegen ein jüngerer Bürger: „Ich habe bei Ruhestörungen gute Erfahrungen mit der Polizei.“ Unter Tränen berichtet eine junge, hübsche Studentin: „Um 15 Uhr packen die die Messer raus. Und ich wurde vor meiner Haustüre intim angepackt!“ Sie wäre gerne schon weg gezogen, könne sich aber keine teurere Bleibe leisten.
Vorschläge von den Bürger/innen:
Ein Bürger: „Was hilft, ist Licht. Die Dealer stehen in den dunklen Ecken rum!“ Applaus! Vorschlag eines Bürgers, die Beleuchtung mit einem Bewegungsmelder zu koppeln. Eine Bürgerin: „Gibt’s denn keine rechtlichen Möglichkeiten, die Konzessionen zeitlich einzuschränken? Krach bis Mitternacht? Und im Sommer ist im Außenbereich bis 3 Uhr offen! Nach einer Razzia war’s schon mal still. Wir sollten eine Sammelklage gegen die Stadt anstrengen!“ Applaus! Vorschlag Videoüberwachung: Dazu der Hausverwalter eines Objektes Klingerstraße Ecke Allerheiligenstraße: „Es dauerte lange, aber wir haben jetzt die Erlaubnis, Videoaufzeichnungen zu machen. Ich bin kein Freund von privaten Sicherheitsdiensten.“ Dazu Heinrich, Chef der Stadtpolizei: Öffentlichen Raum von privat zu überwachen, sei problematisch: Man könne sich dazu informieren im Internet oder beim Hessischen Landesbeauftragten für Datenschutz.
Vorschläge von der SPD, Grüner bestätigt Aussage der Ortsvorsteherin:
Oliver Strank, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Ortsbeirat 1, fragt: „Gibt es denn keine Möglichkeiten für eine Zivilstreife?“ Dazu Heinrich, Chef der Stadtpolizei: Wir führen verdeckte Maßnahmen durch, arbeiten auch mit der Landespolizei zusammen. Strank befürwortet die Schließung von Rückzugsräumen (für die Kleinkriminellen, d. Verf.) wie Gaststätten und Hinterhöfe. Strank weiter: „Die Gesetze werden nicht ausreichend ausgeschöpft.“ Nach Paragraf 15 des Gaststättengesetzes könne man die Konzession entziehen.
Grünen-Fraktionsvorsitzender Andreas Laeuen bestätigt die Aussage der Ortsvorsteherin: Die Leute rufen nicht bei der Polizei an, weil sie Angst vor den Gaststättenbetreibern haben. So sei der Lärm aus dem Metropol Bierhaus in der Stoltzestraße 17 nicht zurückgegangen. Dazu Stadtpolizeichef Heinrich: „Wir können nur das Recht, was wir haben, durchsetzen.“ Aber er versprach, bei diesem Bierhaus noch mal verbeizusehen.
Letzter Tagesordnungspunkt: Gründung einer Initiative:
Die Ortsvorsteherin wollte hierzu per Abstimmung ein Meinungsbild. Dieses war Hälfte/Hälfte. Schluss der Veranstaltung. In drei Monaten die dritte Auflage des Runden Tisches? Mal sehen.
D. Schreiber