Im Fall Edathy lauert eine Staatskrise
Deutscher Moralimperialismus vor dem Absturz?

Die derzeit bekannt werdenden Einzelheiten und Hintergründe im Fall des unter dem Verdacht des Besitzes von Kinderpornographie geratenen ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy werden immer ungeheuerlicher. Offenbar haben führende Vertreter der politischen Klasse in Deutschland schon länger von den schweren Vorwürfen gegen den profilierten „Kämpfer gegen Rechts“ nicht nur gewusst, sondern es auch - zumindest indirekt - ermöglicht, dass Edathy die Spuren seines vermuteten verbrecherischen Tuns verwischen konnte.
Dass ihm das offenbar nicht vollständig gelungen ist, beweist sein panikartiges Verhalten ebenso wie das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Hannover, die unbeirrt die Ermittlungen gegen den SPD-Politiker führt. Wenn sich Berichte bestätigten sollten, dass sowohl der damalige Innenminister Friedrich (CSU) wie auch die gesamte SPD-Spitze um Gabriel, Steinmeier und Oppermann bereits seit Monaten Kenntnissen von dem Verdacht pädophiler Neigungen Edathys hatten, aber nichts unternahmen, um den Bundestagsabgeordneten und Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses aus der aktiven Politik zu entfernen, dann gibt es nicht nur einen sehr unappetitlichen Fall Edathy, sondern dann steht Deutschland vor einer Staatskrise, die nicht ohne einschneidende Konsequenzen für die in die Affäre verwickelten Personen zu lösen sein wird.
Derweil sich deutsche Spitzenpolitiker anmaßen, Russland belehren zu wollen, wie mit Homosexualität und Kirchenschänderinnen umgegangen werden soll, der Bundespräsident bei seinem Staatsbesuch in Indien die Gastgeber über Frauenrechte zu belehren sucht und der sozialdemokratische Europa-Spitzenkandidat in Israel einen in jeder Weise überflüssigen Eklat verursacht, werden von höchster Stelle im eigenen Land Ermittlungen gegen ein Mitglied der politischen Klasse erschwert, wenn nicht gar zu vereiteln versucht.
Es muss nun, gerade im Hinblick auf den immer unerträglicheren Moralimperialismus etlicher deutscher Politiker, eine schonungslose und umfassende Klärung aller Vorgänge und Hintergründe des Falles Edathy erfolgen.
Ein sehr positiver Nebeneffekt dieser Klärung könnte übrigens die grundsätzliche Infragestellung jener faktischen Meinungsdiktatur namens „Politische Korrektheit“ sein, die als Hauptquelle des oben genannten Moralimperialismus gelten kann.
Sebastian Edathy kann sich nie wieder als Gesinnungswächter präsentieren. Es könnte gut sein, dass auch einige andere hochrangige Politiker bald dieses verdiente Schicksal teilen werden. Das wäre schlecht für die Betroffenen, aber gut für Deutschland.
Wolfgang Hübner