Damendämmerung und “gute Schulden” im Römer
Eine Rede anlässlich der Kreditaufnahme für Schulen in Frankfurt

In der Sitzung der Stadtverordneten vom 27. Februar 2014 wurde ein Nachtragshaushalt über 150 Millionen Euro Neuschulden für Schulen (Bauten und Reparaturen) vorgelegt. Dabei gebrauchte die CDU-Stadtverordnete Fischer, selbst Lehrerin, die viel zitierte Formulierung von den “guten Schulden”. In der Debatte ergriffen auch die Stadtverordneten Schenk und Hübner von der Fraktion der Freien Wähler das Wort. Wir dokumentieren beide Reden, heute die Rede des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Hübner:
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Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Leider sehe ich Frau Fischer im Moment nicht. Frau Fischer hat sich mit ihrer Äußerung über die „guten Schulden“, die morgen garantiert in jeder Zeitung stehen wird, unsterblich gemacht. Ich wünsche ihr hier noch viele gute Jahre. Sie hat heute eine Marke gesetzt, die sie nie mehr los wird.
Kommen wir aber zu einem anderen Aspekt. Ich war bei einer Veranstaltung der GRÜNEN, bei der es um Kultur ging. Im Laufe der Veranstaltung war tiefe Traurigkeit und Jammer unter Frankfurts gut subventionierten Kulturschaffenden zu vernehmen. Warum? Sie trauern um Frau Roth und Frau Ebeling. Beide sind nicht mehr mit von der Partie. Sie sind weg und jetzt ist nur noch “Schmiermittel”-Feldmann an Bord, was natürlich eine ganz große Zumutung für unsere Kulturschaffenden ist. Sie trauern diesen beiden Politikerinnen nach.
Wenn ich die Diskussion über die Schulen insgesamt betrachte, gibt es natürlich für diejenigen, die mit dem Erziehungswesen verbunden sind - Lehrer und Schüler -, Grund zum Jubel, dass diese beiden Damen weg sind. Es ist die Ära Roth-Ebeling, die heute hier auch zu behandeln ist.
Es ist die Ära der langen Amtszeit einer Oberbürgermeisterin und der noch wesentlich längeren Amtszeit einer Schuldezernentin, die hier ihre Spuren im negativen Sinn hinterlassen haben, die Sie heute Abend mit dem Magistratsvortrag, welcher natürlich die schwarz-grüne Handschrift trägt, zu reparieren versuchen. Ich glaube, eine Möglichkeit, diesen Abend zu benennen, ist, dass man von einer gewissen Damendämmerung reden könnte.
(Zurufe)
Jetzt müssen sich doch nicht alle Frauen in feministischer Aufregung mit Frau Roth und Frau Ebeling solidarisieren. Wenn ich von Damendämmerung spreche, meine ich diese beiden Politikerinnen. Es ist ihre Ära gewesen, in der all diese Dinge aufgelaufen sind. Es ist ihre Ära gewesen, in der praktisch solche Zustände entstanden sind. Das hat natürlich schon einen kleinen Beigeschmack.
Wir haben zuvor den Kulturdezernenten gehört, der gesagt hat, dass das überhaupt nicht machbar ist und die Kultur zugrunde ginge, wenn er seine Sparaufträge vollziehen müsste. Wie stellt sich denn die Situation dar? Können wir es uns leisten, dass die Schulen zugrunde gehen oder in einem solchen Zustand sind? Nein, das können wir uns nicht leisten. Aber man hat es sich geleistet. Das ist der Punkt. Man hat es sich über viele Jahre geleistet, dass sich die Zustände so entwickeln, wie sie jetzt zu beklagen sind. Diese Zustände sollen und müssen mit 150 Millionen Euro nun notdürftig repariert werden.
Wir wissen aber auch - viele wissen es wahrscheinlich sogar noch besser als ich persönlich -, dass dieses Geld in keiner Weise reichen wird. Diese Versäumnisse der letzten Jahre, die in der Ära Roth-Ebeling vorgekommen sind, lassen sich natürlich jetzt nicht mit 150 Millionen Euro reparieren. Hier steht jede Koalition und jede Stadtregierung vor einer großen Aufgabe. Wir werden sehen, wie Sie damit weiterhin zurechtkommen. Wir werden das sehr genau beobachten.
Ich finde es albern, wenn gesagt wird, es gibt eine lange Liste von ganz einfachen Reparaturmaßnahmen, wie zum Beispiel Toiletten. Dieses Thema geistert doch schon seit Jahren durch den Bildungsausschuss und die Presse. Das ist überhaupt nichts Neues. Jetzt wird gefeiert, mein Gott, dass die Toiletten endlich - wenigstens einige davon - repariert werden. Wie wird das ideologisch erklärt? Mit der Bildung. Wenn ich auf die Toilette gehe, ist das keine Bildungsmaßnahme, sondern eine Notmaßnahme.
(Beifall)
Meine Damen und Herren, wir müssen auf die Erde zurückkommen, das heißt, dass wir natürlich auch darüber reden müssen, wie das finanziert wird. Es war zu erwarten und es ist unendlich langweilig, dass diese Diskussion immer darin mündet, dass die einen sagen, die Gewerbesteuer muss erhöht werden, und die anderen sagen, nein, die Gewerbesteuer darf nicht erhöht werden.
Eines ist klar und ich kann es nur aus den vielen Haushaltsdebatten wiederholen: Die Koalition ist doch völlig unglaubwürdig. Die Koalition ist völlig unglaubwürdig, wenn sie offiziell die Linie vertritt, die Gewerbesteuer nicht erhöhen zu wollen. Sie macht stattdessen „gute Schulden“. Seit heute wissen wir, es gibt nicht nur Schulden, sondern es gibt auch „gute Schulden“. Bei diesem Thema werden Sie von der linken Opposition dauernd vorgeführt. Sie werden natürlich nicht zu Unrecht vorgeführt.
Wenn Sie nicht wollen, dass eine Gewerbesteuererhöhung kommt, dann müssen Sie handeln und die Ausgaben, die Sie zu verantworten haben, so gestalten, dass Prioritäten erkennbar werden. Sie sagen, Bildung oder Bildungs- und Schulmaßnahmen haben Priorität. Ich würde Ihnen sogar zustimmen. Dann müssen Sie die Prioritäten so setzen, damit diese Ausgaben, die zu leisten sind, auch geleistet werden können. Sie sind aber absolut unfähig dazu. Sie sind dazu nicht nur unfähig, sondern auch unwillig. Sie sind fortwährend unwillig, das heißt, Sie sind Fortsetzungstäter in dieser Angelegenheit, was zu verurteilen ist.
Wir stimmten der nun vom Magistrat vorgelegten Notmaßnahme nicht Ihretwegen zu. Sie wären eher ein Grund, dem nicht zuzustimmen. Aber wir stimmen dieser Schuldenaufnahme zu, weil es um Schüler geht, weil es um Kinder geht, weil es um Jugendliche geht, weil es um die Eltern geht und weil es um die Lehrer geht. Allerdings stimmen wir dieser fragwürdigen Finanzierung nicht leichten Herzens zu.
Denken Sie daran, dass Sie mit dieser Strategie der „guten Schulden“ im Grunde genommen auch kommende Generationen an die Wand fahren. Diese neue ideologische Verklärung, die Sie den Schulden geben, ändert nichts daran, dass Sie Schulden machen, was sozusagen auch eine Art von Politikverweigerung ist.
Danke schön. (Beifall)