Frankfurts Haushalt darf keine Wette sein!

Schwarz-grüne Schuldenpolitik ohne Perspektive

Frankfurts Haushalt darf keine Wette sein!
© Foto R. Sawicki

In der Diskussion um den am 25. September eingebrachten Doppelhaushalt 2015/16 für die Stadt Frankfurt hat der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Römer, Wolfgang Hübner, folgende Rede gehalten, die hiermit dokumentiert und zur Diskussion gestellt wird.
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Der heute vom Kämmerer eingebrachte Doppelhaushalt 2015/16 ist deshalb ein Doppelhaushalt, weil im März 2016 Kommunalwahlen anstehen. Es ist das parteiübergreifende Interesse von CDU und Grünen, aber auch der SPD, mittels Doppelhaushalten die wichtigste Debatte der Stadtpolitik, nämlich die Verteilung der Einnahmen und Ausgaben, aus dem Wahlkampf heraus- und von der Wahlentscheidung fernzuhalten.

Die Fraktion der Freien Wähler hat mit ihrem Antrag NR 907, Titel: „Kein Doppelhaushalt 2015/16“, neuerlich den verdienstvollen Versuch unternommen, dieses vor jeder Kommunalwahl wiederkehrende Entpolitisierungsmanöver zu verhindern. Damit sind wir wie stets gescheitert. Doch das ist ein Scheitern, das uns so wenig beirren wird, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Doppelhaushalte sind Politikentmündigung! Unsere Fraktion wird schon aus diesem Grund dem Doppelhaushalt 2015/16 nicht zustimmen.

Inhaltlich gewichtiger für unsere Ablehnung ist aber die Tatsache, dass auch der uns nun vorgelegte Entwurf kein Beitrag zur längst überfälligen Konsolidierung der Frankfurter Finanzen ist. Oder, um es modisch auszudrücken: Es ist zu wenig nachhaltig, was uns da Kämmerer und Magistrat vorlegen. Denn wie immer wird Gelingen oder Misslingen des Haushalts für die beiden kommenden Jahre einzig und allein von der Entwicklung der Gewerbesteuer abhängen. Im laufenden Jahr 2014, so hat es jedenfalls den Anschein, ist dem Kämmerer die Wette auf sehr gute Einnahmen aus dieser Steuer geglückt. Wir gratulieren deshalb dem glücklichen Wettgewinner namens Becker und freuen uns für unsere Stadt.

Ob die Wette auch 2015 und/oder 2016 aufgeht – wir wissen es so wenig wie alle anderen hier im Römer. Aber wir wissen schon jetzt: Gibt es aus irgendwelchen Gründen mal wieder einen Einbruch bei der Gewerbesteuer, dann wird vieles das Papier nicht wert sein, auf dem es nun gedruckt ist. Und dann könnte es sein, dass auch die 50 zusätzlichen Millionen Euro fürs städtische Personal noch sehr schmerzen. Keine Frage, wir gönnen den Frauen und Männern in Diensten unserer Stadt diese 50 Millionen. Sie werden in Form von bewahrten oder vermehrten Dienstleistungen ja auch den Bürgern Nutzen bringen. Uns ist allerdings nicht klar, wo diese doch nicht ganz unbedeutende Summe an anderer Stelle im Haushalt reduziert wird oder ob gar die EZB im Ostend eine undichte Stelle hat.

Erhebliche Sorgen muss die Entwicklung bei den Investitionen machen. Im Planungszeitraum bis 2018 wird ein Schuldenstand von knapp drei Milliarden Euro ausgewiesen. Auch im Doppelhaushalt müssen hohe Kreditsummen aufgenommen werden, um die Investitionstätigkeit der Stadt Frankfurt zu finanzieren: 2015 werden es 272 Millionen und 2016 gar 342 Millionen Euro sein. Trotz hoher Steuereinnahmen ist die verantwortliche Politik in Frankfurt also nicht in der Lage, die Schulden abzubauen – ganz im Gegenteil, sie werden immer höher.

Ohne Zweifel müssen Investitionen sein, wir brauchen Schulen, Kindergärten, Straßen, öffentliche Grünflächen und manches mehr – das sind auch Werte, das ist städtisches Vermögen. Aber das immer wieder nur mit Schulden zu ermöglichen, kann ganz schnell auch in die Überschuldung und Gestaltungslähmung der Politik führen. Doch CDU und Grüne handeln weiterhin nach der Devise: Wir verkonsumieren restlos alles, was wir einnehmen. Und dann nehmen wir endlos Kredite auf für fast alles, was wir investieren. Sollen doch unsere Nachfolger sehen, wie sie damit klar kommen!   

Ich hoffe sehr, der Magistrat und vor allem der Kämmerer haben den jüngsten Erlass der Kommunalaufsicht in Wiesbaden nicht nur gelesen, sondern auch verstanden: „Die Stadt bleibt angesichts der anhaltenden guten konjunkturellen Lage mit stabilen Steuereinnahmen weiterhin aufgefordert, die in ihrer mittelfristigen Finanzplanung prognostizierten Defizite zu vermeiden. Insbesondere die eigenständige, kritische Überprüfung der vorgehaltenen Leistungen und Standards sowie der vorhandenen Organisationsstrukturen und Planungen gilt es fortzuführen.“

Und dann kommt im Text der Warnschuss des hessischen Innenministers, der ja bekanntlich der gleichen Partei wie Kämmerer Becker angehört: „Die gilt ausdrücklich auch für den sich bereits in der Planung befindlichen Doppelhaushalt 2015/16. Eine Genehmigung zur Aufnahme von Investitionskrediten wird nicht erteilt werden können, wenn Defizite im ordentlichen Ergebnis nicht mehr durch die Rücklage aus Überschüssen der ordentlichen Ergebnisse gedeckt werden.“

Kämmerer und der fürs Personal zuständige Oberbürgermeister handeln offensichtlich nach dem Motto: Hoffnung regiert die Welt! Da können wir nur hoffen, dass die manchmal ziemlich chaotische Welt nichts gegen solcherart Regierung hat. Denn da gibt es auch in Frankfurt zum Beispiel das Problem mit der immer größeren Zahl von asylsuchenden Flüchtlingen aus aller Welt - ein Problem, das insbesondere Sozialdezernentin Frau Dr. Birkenfeld umtreibt und den ohnehin weiter wuchernden Sozialetat belastet.

Wir konnten nun mit Befremden lesen, wie negativ sich Vielfaltdezernentin Frau Dr. Eskandari-Grünberg zu der jüngsten politischen Entscheidung von Bund und Ländern geäußert hat, einige Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um damit den Strom bestimmter Wirtschaftsflüchtlinge wenigstens einzudämmen.

Dass die grüne Politikerin gegen ihren Parteifreund in Baden-Württemberg poltert, mögen beide unter sich ausmachen. Doch dass die Dezernentin sich weder um die vielfältigen Folgekosten dieser Wanderungsbewegung vom Balkan nach Frankfurt sorgt und sich auch nicht um die verheerenden Zustände in manchen Häusern, Straßen, Plätzen und Parks unserer Stadt als Folge dieser Wanderungsbewegung schert, weil nämlich Frau Dr. Eskandari-Grünberg allein um die sensible Seele der größten politischen Einwanderungslobby Europas, also der Grünen, besorgt ist – das ist eine magistratsinterne Verwerfung, bei der wir Freien Wähler klar auf der Seite der Sozialdezernentin und klar auf Seiten der Steuerzahler stehen.

Wir können, meine Damen und Herren, nicht über den Haushalt der nächsten Jahre reden, ohne über die Folgen der stark zunehmenden Einwohnerzahl in unserer räumlich nicht größer werdenden Stadt zu reden. Zwar ist Frankfurt bezogen auf Steuerkraft im Verhältnis zur Einwohnerzahl die reichste Großstadt Deutschlands. Zugleich aber ist Frankfurt jedoch eine der ärmsten Städte der Nation. Das glauben Sie nicht? Leider sind die Realitäten so.

Denn erst kürzlich hat eine Studie des renommierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) folgende alarmierende Erkenntnis dokumentiert: Frankfurt belegt den 7. Platz in der Rangfolge der Städte und Landkreise mit der höchsten Kaufkraft-Armutsquote. Mit anderen Worten: Nur in sechs anderen Städten oder Landkreisen in Deutschland ist also der Anteil der Menschen höher, die sich wenig leisten können. Vor Frankfurt liegen nur Städte wie Dortmund, Bremerhaven, einige Berliner Problembezirke oder Duisburg. Erst an 14. Stelle kommt unser Nachbar Offenbach, übrigens gleichauf mit Darmstadt und Wiesbaden.

Die ausgeklügelte Methodik dieser aufschlussreichen Studie näher zu erläutern, ist hier nicht der Ort. Zwei Sätze von Prof. Hüther, dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, will ich aber doch zitieren: „Relative Einkommensarmut ist ein spezielles Maß für Einkommensungleichheit, das anzeigt, wie viele Menschen deutlich weniger als das mittlere Einkommen zur Verfügung haben. Relative Einkommensarmut ist daher auch ein Indikator für soziale Spaltung.“

Es deutet nichts auf eine positive Veränderung dieses Problems der sozialen Spaltung in Frankfurt hin. Im Gegenteil: Unter der wachsenden Einwohnerzahl befinden sich immer mehr Menschen, die einer mehr oder weniger hohen finanziellen Unterstützung durch die Stadt bedürfen, um ihre Lebenshaltung in unserer Stadt auch nur bescheiden bestreiten zu können.

Und da sind wir auch schon beim derzeit wohl wichtigsten Thema: Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen für Normal- und Geringverdiener. Ende 2013 standen über 8.000 Haushalte auf der Warteliste vom Amt für Wohnungswesen. Und bei der ABG warteten knapp 10.000 Haushalte auf ihre Chance, dort eine Wohnung zu bekommen. Um noch einmal auf die Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft zu sprechen zu kommen: Allein die enormen Wohnkosten sorgen dafür, dass sich viele Menschen in Frankfurt für einen Euro weniger leisten können als selbst in solch wirtschaftsarmen Gebieten wie der Uckermark oder der Eifel.

Es geht aber nicht nur um jene, die als sozial schwach bezeichnet werden. Es gibt auch immense Folgekosten aus dem starken Zuzug durchaus zahlungskräftiger Menschen und Familien nach Frankfurt. Denn sie alle nehmen eine vielfältige Infrastruktur in Anspruch, die aus den Einnahmen der Stadt finanziert werden muss. Wir haben hier in den letzten Monaten oft über marode Frankfurter Schulen geredet und geklagt. Fast alle von uns kennen eine oder mehrere Straßen im Stadtgebiet, deren Zustand mehr auf dem Niveau von Nairobi als auf dem angemessenen Niveau des Standorts der Europäischen Zentralbank ist. Wir müssen zudem eine Verschlechterung der Sauberkeit an vielen Ecken Frankfurts feststellen. Dazu steigen die Kosten der sogenannten 2. Miete unaufhörlich – eine schwere Belastung für Hunderttausende.

An all dem, Herr Kämmerer Becker, wird auch Ihre kürzlich in meinem Briefkasten vorgefundene, etwas aufdringliche Eigenwerbung namens „Ideenplattform“ nichts ändern. Denn alle Ideen der Bürger können nicht fehlende Taten und Maßnahmen der von ihnen in die Verantwortung gewählten Politiker ersetzen. Der Doppelhaushalt 2015/16 des schwarz-grün dominierten Magistrats und des in diesem Fall im bemerkenswerten Gegensatz zu seiner Partei SPD befindlichen Oberbürgermeisters ist kein Haushalt, der durchaus mögliche Einbrüche bei der Gewerbesteuer oder Zinserhöhungen ohne größere Schäden verkraften könnte. Es ist kein konsolidierter, kein nachhaltiger Haushalt, sondern eine riskante Wette auf die Zukunft. Und Wetten kann man nun mal gewinnen oder verlieren.

Im Sinne und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Frankfurts müssen wir auf die Variante „Gewinnen“ hoffen. Doch nach unserer prinzipiellen Ansicht sind Haushalte weder zum Wetten da, noch sind sie zum Heraushalten aus Wahlkämpfen und Wahlentscheidungen da. Für uns Freie Wähler ist und bleibt die Aufstellung ausgeglichener jährlicher Haushalte die Pflicht und Königsdisziplin solider, guter Politik. Das ist und bleibt unser Maßstab.

Wir sind uns darin völlig einig mit dem hessischen Innenminister, der einmal mehr der sehr schwer erziehbaren Stadt Frankfurt im Juli mitgeteilt hat: „Die Stadt unterliegt der permanenten Verpflichtung, ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Insofern soll der Haushalt ausgeglichen sein.

Der vorgelegte Entwurf wird weder unserem Maßstab noch der Ermahnung der Kommunalaufsicht in Wiesbaden gerecht. Das mag Sie, meine Damen und Herren vom Magistrat, das mag die Stadtverordneten von CDU und Grünen, und das mag auch Sie, Herr Oberbürgermeister, nicht kümmern. Wenn Ihre neuerliche Wette allerdings schief gehen sollte, wird das eine Menge Kummer für uns alle bedeuten. Für die aber, die für die verlorene Wette verantwortlich sein werden, bedeutet das den Verlust an Glaubwürdigkeit.

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