Antirassistisch unterfütterte Museumspädagogik
Ausstellung im Historischen Museum zeigt einseitiges Geschichtsbild
"Gefangene Bilder" lautet der bedeutungsschwangere Titel einer aktuellen Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt. Doch was sich mit "Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg" zu beschäftigen möchte, ist in gehörigem Maß ein Ausfluss des aktuellen Zeitgeistes. Ausstellungen zum ersten Weltkrieg grassieren derzeit auch in Deutschland. Eher selten wird dabei bislang auf die neu in die Öffentlichkeit gesickerten Erkenntnisse aus Christopher Clarks Bestseller "Die Schlafwandler" eingegangen.
Stattdessen halten sich alte Vorstellungen einer herausragenden deutschen Schuld, wenngleich nun im neuen Gewand. Da der offiziell verkündete Zeitgeist auf "multikulturelle Gesellschaft" und "Vielfalt" gepolt ist, liegt der Schwerpunkt des aktuellen Interesses somit daran, dem Deutschland der Jahre 1914-1918 einen wie auch immer gearteten "Rassismus" zu unterstellen. Das wilhelminische Deutschland erscheint so vor allem als Keim einer deutschen Verfehlung, die im Nationalsozialismus ihre Frucht ausgetragen hätte.
Der erste Weltkrieg wird deshalb als Ouvertüre des "Vernichtungskrieges" der Jahre 1939-1945 dargestellt. Diese Suggestionen geschehen eher versteckt und nicht mit Hilfe herangezogener falscher Fakten. Vielmehr finden andere Techniken der Einseitigkeit Anwendung. Bestimmte Fakten werden einfach ausgelassen, andere werden betont, und das deutsche Handeln wird weniger im Kontext der Zeit, also kaum im Vergleich mit dem Tun der anderen Kriegsmächte dargestellt, sondern isoliert.
Diese Tendenz findet sich beispielsweise in der großen Ausstellung "Der 1. Weltkrieg", die derzeit im Deutschen Historischen Museum in Berlin gezeigt wird. Dort werden keine falschen Tatsachen behauptet, die Gewichtung aber führt zu einseitigen Suggestionen. So ist dort überproportional von Gräueltaten der Deutschen die Rede, aber kaum von Gräueltaten der Entente-Mächte. Da wird eine Zeichnung einer Vergewaltigungsszene durch deutsche Soldaten gezeigt, ohne darzulegen, ob diese Zeichnung verifiziert werden kann, in welchem Ausmaß derartige Handlungen überhaupt vorkamen, wie hoch der deutsche Anteil daran war, und ob sie von der Militärgerichtsbarkeit geahndet wurden.
Deutschfeindliche Tendenz
Durch die suggestive Aneinanderreihung solcher einseitig ausgesuchter Exponate und die schlichten Erklärungen, die die Museumsführer den durch die Hallen geschleusten Schulklassen liefern, werden irrationale Eindrücke vermittelt. Die Deutschen der Kaiserzeit erscheinen unterschwellig als Horde grausamer, rassistisch eingestellter Barbaren, die wenige Jahrzehnte später in Auschwitz ihre Vollendung gefunden hätten.
Das Historische Museum Frankfurt möchte diesem Trend tendenziell nicht nachstehen. Die kleine, nur einen Raum umfassende, Ausstellung "Gefangene Bilder" ist objektiv betrachtet inhaltlich äußerst mager. Gezeigt wird nicht viel: Ein paar Fotos, einige Filmsequenzen, einige alte Postkarten und Druckwerke. Relevantes zu sehen ist kaum. Umso mehr muss die Ausstellung mit versteckten Suggestionen aufgepeppt werden. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bilden Porträt-Fotografien von zehn französischen Kriegsgefangenen aus Nord- und Westafrika, die in einem Lager aufgenommen worden sind. Es handelt sich um einige im Archiv gefundene Porträts ohne weitergehende Informationen. Dass die Quellenlage extrem dünn ist, muss die Ausstellung selbst zugeben. Man biete nur Antworten auf Fragen an, steht dort geschrieben.
Doch schon der Charakter einer Frage und die darauf gegebene subjektive Antwort können dazu dienen, Emotionen bei denen zu erzeugen, die über die dafür nötigen Empfängerrezeptoren verfügen. So steht im Begleitblatt zur Ausstellung beispielsweise: "Viele Propagandaschriften, Postkarten und andere Darstellungen prangerten den Einsatz von schwarzen Soldaten im Kampf gegen die deutsche `Kulturnation´ an." Da nur das Wort "Kulturnation" in Anführungsstriche gesetzt wurde, wird suggeriert, dass das kulturelle Fundament Deutschlands womöglich gar nicht existent war und ist, sondern nur das eingebildete Resultat einer Selbstüberhöhung.
Eine halbe Million Männer aus den Kolonien dienten im ersten Weltkrieg unter französischer Fahne. Einige gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Um ihnen eine freie Religionsausübung zu ermöglichen, wurde deshalb auf Wunsch des Muftis von Istanbul in Wünsdorf bei Berlin 1915 die erste religiös genutzte Moschee auf deutschem Boden errichtet. Im Begleittext zu einigen in der Ausstellung gezeigten kurzen Filmsequenzen heißt es, die Gefangenen aus den Kolonien seien "zusammengesperrt" worden. Das suggeriert eine besonders "rassistische" Handlung, dabei handelt es sich um ein übliches Verfahren mit Kriegsgefangenen.
Da die Gefangenen offenbar nicht misshandelt wurden, hier also nichts Negatives zu finden war, wird ihre zuvorkommende Behandlung im Rahmen eines islamischen Fests als "für Propagandazwecke" benutzt dargestellt. Dann wird kritisiert, dass Wissenschaftler die Kriegsgefangenen "als Untersuchungsobjekte" für ihre Forschungen nutzten. Zwar mögen Besucher, die Dr. Mengele sehen wollen, diesen auch aus solchen Äußerungen herauslesen. Mit der objektiv gezeigten Realität aber hat das nichts zu tun. Weder wurden mit den Gefangenen Experimente durchgeführt, noch wurden ihnen in irgendeiner Weise geschadet. Lediglich einige Körpervermessungen wurden durchgeführt, wie sie in ähnlicher Weise zu jeder Bundeswehr-Musterung gehören.
Einige ethnologische Film- und Tonaufnahmen wurden damals gespeichert, vor allem zur Musikkultur der Kriegsgefangenen. Wenn dies bereits diskriminierend sein soll, müsste sich heute jede Frau, jeder Migrant, jeder Neonazi oder Rentner beschweren, denn sie alle (und viele andere Gruppen) sind aktuell Gegenstand von Forschungsarbeiten. Seltsam also, in welch negativen Kontext ein Museum die wissenschaftliche Forschung zu stellen versucht.
Kolonialismus anderer Nationen wird ausgespart
Dass es in der aufgeheizten Stimmung der Zeit nach dem 1. Weltkrieg auch zu negativen Äußerungen über außereuropäische Soldaten in französischen Diensten und zu einer in der Ausstellung erwähnten "Propagandabewegung gegen die Stationierung afrikanischer Soldaten" kam, ist aus der Zeit heraus zu verstehen. Zum einen war das weiße Überlegenheitsgefühl ein Kennzeichen des gesamten Kolonialzeitalters, das auch seine Bestätigung im überlegenen technischen Stand der weißen Welt fand. Somit wurde der Einsatz von Afrikanern als Besatzungstruppen, also als Befehlsgeber, als doppelte Demütigung in der Bevölkerung empfunden. Zum anderen war die Stimmung angesichts der alliierten Hungerblockade, der im Versailler Vertrag aufgebürdeten Reparationszahlungen und Gebietsverluste ohnehin aufgeheizt, da man im alliierten Vorgehen ein großes Unrecht sah.
Die unterschwellige deutschfeindliche Tendenz der Frankfurter Ausstellung äußert sich aber vor allem in diesem Satz eines Begleittextes: "In Deutschland sollte das rassistisch geprägte Überlegenheitsgefühl den verlorenen Krieg überdauern." Hier wird die Linie vom deutschen Kaiserreich zum Nationalsozialismus am deutlichsten gezogen. Keine Erwähnung findet dabei, dass dieses kritisierte "rassistisch geprägte Überlegenheitsgefühl" beispielsweise ebenso bei den alliierten Kräften zu finden war und dort bis zur Entkolonialisierung nach dem zweiten Weltkrieg und der Bürgerrechtsbewegung in den USA sogar offiziell gestützt wurde. Weder werden die belgischen Kongogräuel erwähnt, bei denen bis 1908 wohl 10 Millionen Kongolesen den Tod fanden. Noch erfährt man von Kolonialgräueln der Briten oder den bis in die 60er Jahre geltenden Rassengesetzen in den USA.
Durch die Aussparung und die Fokussierung auf Deutschland wird das schiefe Bild eines aus der Spur geratenen "rassistischen" deutschen Sonderwegs vermittelt. Und die Ausstellung gibt auf der Internetseite des Museums als Absicht an, auf die "Ursprünge des Rassismus in unserer Gesellschaft aufmerksam" machen zu wollen. Es wäre also zu blauäugig, anzunehmen, dass das gezeigte schiefe Geschichtsbild aufgrund solcher Selbstanklage nur durch museologisches Unvermögen entstanden ist.
Marlis Lichtjahr