Von finanzpolitischer Nachhaltigkeit keine Spur
Rede der FW-Fraktion im Römer zum Doppelhaushalt 2015/16

Mit den Stimmen von CDU und Grünen gegen alle Stimmen der anderen Fraktionen der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung wurde am 18. Dezember 2014 der Doppelhaushalt für die Jahre 2015 und 2016 verabschiedet. In der Debatte nahm für die Fraktion der Freien Wähler im Römer deren Fraktionsvorsitzender Wolfgang Hübner Stellung. Wir dokumentieren seine Rede weitgehend unverändert.
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Wenn heute nach Wunsch und Willen der Koalition aus CDU und Grünen der Doppelhaushalt 2015/16 verabschiedet wird, ist das eine gute Gelegenheit, einmal etwas grundsätzlicher zum Thema Finanzen der Stadt und dem Umgang der Politik mit diesen Finanzen zu sprechen.
In dem Sommerinterview der FAZ vom 30. Juli des nun zur Ende gehenden Jahres hat der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Löwenstein, folgende Aussage gemacht: „Es gibt so gut wie keine Ausgaben, die unnütz sind. Es gibt für alles gute Gründe. Es gibt so gut wie keine Aufgabe, die man leichthin einfach aufgeben könnte.“ Damit war eigentlich schon vorgezeichnet, wie die CDU-Fraktion und wie auch die Koalition mit dem vom Magistrat vorgelegten Entwurf für den Doppelhaushalt umgehen würde – nämlich überaus schonungsvoll.
Wer sich die ohnehin sehr wenigen Anträge der beiden größten Fraktionen angeschaut hat, weiß das. Nun war ja ohnehin nicht zu erwarten, dass vor der Kommunalwahl im März 2016 noch Ausgabenbeschränkungen beschlossen werden würden, die irgendeine Bevölkerungsgruppe in der Stadt in den Protest treiben könnte. Aber die Aussage von Herrn Löwenstein geht, und das macht sie so interessant, weit über die üblichen wahltaktischen Erwägungen hinaus. Denn was der CDU-Politiker in dem Interview geäußert hat, hätte ebenso auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen und der SPD sagen können – von den extrem ausgabefreudigen Linken mal ganz abgesehen.
Der gesamte Parteienblock aus CDU, Grünen und SPD ist nämlich der festen Auffassung, dass es so gut wie keine Ausgaben gibt, die „unnütz sind“. Und für alle Ausgaben sieht dieser Parteienblock stets „gute Gründe“. Dabei weiß er sehr genau, wie unvereinbar die Beibehaltung aller gegenwärtigen Ausgaben mit der Auflage der Hessischen Gemeindeordnung ist, jährlich ausgeglichene Haushalte vorzulegen und zu verabschieden. Ebenso gut ist der Parteienblock darüber informiert, dass die wachsenden infrastrukturellen Aufgaben der Stadt Frankfurt ohne Explosion der Schulden nur durch harte Einschnitte in die sogenannten freiwilligen Ausgaben realisiert werden können.
Die Alternative dazu ist auch klar: Massive Erhöhung der Steuern, Gebühren und Abgaben. Doch die CDU beharrt bislang ungewohnt tapfer auf ihrer Ablehnung der Gewerbesteuererhöhung. Ihr grüner Partner hätte eigentlich gar nichts gegen diese Anhebung, wartet aber erst einmal auf eine günstige Situation, das auch öffentlich zu sagen. Die SPD ist bekanntlich unermüdlich und entschieden für die Anhebung. Der Linkspartei hingegen würde auch die maximalste Variante selbstverständlich nie und nimmer reichen für ihre Beglückungspläne.
Aber überlegen wir einmal, was geschähe, wenn SPD und Grünen sich durchsetzen würden und die Gewerbesteuer etliche Millionen mehr Einnahmen dem Kämmerer einbringen würden: Prompt würden vielerlei neue Begehrlichkeiten geweckt. Prompt würde formuliert werden, welche Wohltaten und Projekte damit finanziert werden könnten. Denn es gibt nicht nur, um Herrn Löwenstein zu zitieren, „so gut wie keine Aufgabe, die man leichthin aufgeben könnte“, sondern es gibt auch so gut wie keine neue Aufgabe der Stadt, die stets willfährige Parteien leichthin einfach ablehnen könnten.
Unfähigkeit und Unwillen zur Prioritätensetzung
Genauso ist es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelaufen. Genau das ist der Grund, warum vor einigen Monaten der CDU-Fraktionsvorsitzende mit einer Mischung aus Fatalismus und Resignation erklärt hat: „Es gibt so gut wie keine Ausgaben, die unnütz sind. Es gibt für alles gute Gründe.“ Wobei allerdings in vielen Fällen städtische Ausgaben vor allem oder ausschließlich für diejenigen nützlich und mit guten Gründen sind, die davon unmittelbar profitieren. Doch dieser nicht ganz unwichtige Nebeneffekt soll hier nicht weiter beschäftigen. Wichtiger ist die Frage, warum sich die politisch Verantwortlichen unfähig oder unwillig zeigen, zwischen wichtigen, weniger wichtigen und unwichtigen Ausgaben der Stadt zu unterscheiden, also unverzichtbaren, vielleicht verzichtbaren und verzichtbaren Ausgaben.
Herr Löwenstein hat es als gelernter Jurist und geschmeidiger Parteimann ganz clever vermieden, sich dieser Frage zu stellen, indem er statt dem Wort „verzichtbar“ das Adjektiv „unnütz“ gebraucht. Doch so bekommen wir keine Antwort, die zu geben aber der politische Auftrag, ja die politische Pflicht für jeden von uns ist. Die Wähler unserer Stadt haben 93 Frauen und Männer in Frankfurt dazu bestimmt, diesem Auftrag und dieser Pflicht zu genügen. Oh ja, sagen jetzt die Altgedienten und erst recht die nicht wenigen Zyniker unter diesen 93 Stadtverordneten: Das ist doch graue Theorie, sowas haben die Wähler bei ihrer Stimmabgabe überhaupt nicht im Sinn gehabt, jedenfalls nicht die ganz große Mehrheit.
Ich fürchte übrigens, dass dem genauso ist. Aber das entschuldigt und legitimiert in keiner Weise die Verweigerung, politisch zu entscheiden, was wichtiger, weniger wichtig und unwichtig, also was Vorrang oder Nachrang bei der Prioritätensetzung der städtischen Ausgaben haben soll. Es ist zutiefst unglaubhaft, wenn sich der gesamte Parteienblock über die geplante kommunale Finanzreform des heillos verschuldeten Landes Hessen in höchste Erregung versetzt, zugleich aber wieder und wieder seine Hausaufgaben nicht machen will.
Diese Entscheidungsunwilligkeit bei der Prioritätensetzung hat Motive. Da ist natürlich die Angst, Protest zu provozieren, Wähler zu verlieren oder gar nicht erst zu gewinnen. Diese Angst ist keineswegs unbegründet, denn es gibt auch innerhalb des Parteienblocks noch so viel Konkurrenz, dass sich immer jemand findet, der die Streichung oder Kürzung einer städtischen Subvention kritisiert und sich davon künftige Stimmen erhofft. Weitgehend unschädlich könnte das allein dadurch gestaltet werden, indem die Streichung oder Kürzung überzeugend und offensiv kommuniziert würde. Das ginge aber nur im Rahmen eines schlüssigen Gesamtkonzepts oder, um es mal etwas hochtrabender auszudrücken, einer finanzpolitischen Philosophie mit festem Fundament.
Das Versagen der CDU als Partei mit bürgerlichem Anspruch
Ich muss leider sagen, dass die linken Kräfte, zu denen selbstverständlich auch die grünen Jakobiner gehören, eher darüber verfügen als die sogenannten bürgerlichen Parteien. Denn auf der Linken gilt die Devise: Steuern hoch, Ausgaben steigern, staatliche Totalbetreuung von der Wiege bis zur Bahre. Das ist zwar grundfalsch und in letzter Konsequenz ebenso ruinös wie selbstmörderisch, aber immerhin ein Standpunkt. Wo aber ist der Standpunkt der CDU, die nach dem Kollaps der FDP ja die derzeit noch einzige bundespolitische Kraft ist, die sich als bürgerlich proklamiert?
Diese Partei stellt hier in Frankfurt den Kämmerer und hat viele Jahre auch die Oberbürgermeisterin gestellt. Doch ich kann nirgendwo bei der Haushaltsgestaltung, insbesondere in keiner Weise hinsichtlich der Nachhaltigkeit dieser Haushaltsgestaltung eine bürgerlich-verantwortungsvolle Handschrift entdecken. Es regiert vielmehr, wie in der gesamten politischen Klasse der Republik, das Prinzip Hoffnung. Nämlich die Hoffnung darauf, dass die unbezahlten Rechnungen und Hypotheken der Gegenwart erst dann beglichen werden müssen und fällig werden, wenn die eigene Amtszeit vorbei ist.
Aber nun besteht eine ganz andere Hoffnung, nämlich diejenige, die mit der Tatsache einer neuen Volksbewegung verbunden ist. Eher über kurz als über lang wird sich diese neuen Volksbewegung, die Bürger APO des Jahres 2014, auch mit der verheerenden finanziellen und sozialen Bilanz des Merkel-Biedermeiers beschäftigen. Wir Freien Wähler in Frankfurt verstehen uns schon lange als ein kleiner, aber selbstbewusster parlamentarischer Arm dieser Bürger-APO, die nun auch auf den Straßen Gesicht zeigt.
Ein aufschlussreicher Testantrag der Freien Wähler
Weil wir jederzeit in dieser Stadtverordnetenversammlung konstruktiv und fleißig arbeiten, haben wir für den Doppelhaushalt 2015/16 eine Reihe von Anträgen gestellt, die entweder geeignet sind, zum Teil sehr erhebliche Ausgabenminderungen zu bewirken – die also im besten Sinne nachhaltig sind. Oder wir haben bei den Anträgen, die mit Kosten verbunden sind, Vorschläge für die Gegenfinanzierung gemacht. Alle Anträge wurden abgelehnt, was allerdings wenig gegen diese Anträge sagt, wohl aber viel über diejenigen, welche diese Anträge abgelehnt haben
Einen Antrag haben wir gestellt, bei dem wir ganz sicher waren, dass er abgelehnt würde – und den wir trotzdem formuliert haben. Es handelt sich dabei um den Antrag E 132 mit dem Titel „Vergesellschaftung der Städtischen Bühnen und des Künstlerhauses Mousonturm ab 2016“. Es geht also nicht um die sozialistische Variante Kollektivierung und auch nicht um die neoliberale Variante Privatisierung, sondern um eine alternative zivilgesellschaftliche Finanzierungsgrundlage für eine klassisch bürgerliche sowie eine etablierte alternative Einrichtung, die beide bislang mit hohen Subventionen aus der Stadtkasse unterhalten werden. Unser Vorschlag E 132 erregte keineswegs empörte Reaktionen, was ja durchaus möglich gewesen wäre. Vielmehr wurde dieser Antrag als offenbar so abseitig-absurd betrachtet, dass er keinerlei Wellen auslöste.
Hoffnung auf das „spendable Christkind Gewerbesteuer“
Und genau das ist hochinteressant. Denn es zeigt viel deutlicher und klarer als eine empörte Ablehnung des Antrags, wie fern auch nur der Gedanke aus allen etablierten Politikersinnen gewichen ist, eine bürgerliche Einrichtung zumindest zum Teil, denn um mehr geht es in dem Antrag ja nicht, mit bürgerlicher Verantwortung und bürgerlichem Engagement zu unterhalten. Es gibt schlichtweg keine Vorstellung mehr davon, was in besseren Zeiten des Bürgertums selbstverständlich war.
Es werden aber mit Sicherheit Zeiten kommen, in denen der Kämmerer wieder einmal geringere Einnahmen vermelden muss als er das heute tun konnte. Für diese Zeiten ist die Politik im Stil von Herrn Löwenstein und Co. in keiner Weise gerüstet. Denn auch der Doppelhaushalt 2015/16 enthält keine Hinweise auf eine städtische Finanzpolitik, die nachhaltig und für weniger ertragreiche Jahre gerüstet wäre. Und solange die Stadt Frankfurt aus eigener Kasse ihren Generalmusikdirektor noch weit besser bezahlen kann als die Bundesrepublik Deutschland ihre Kanzlerin, sollte auch niemand drohende negative Folgen für die Stadtfinanzen durch die Pläne der hessischen Landesregierung für den künftigen kommunalen Finanzausgleich lautstark kritisieren.
Die Fraktion der Freien Wähler gibt dem Doppelhaushalt 2015/16 nicht ihre Zustimmung. Für diesen Doppelhaushalt müssen allein diejenigen die Verantwortung übernehmen, die für jede Ausgabe „gute Gründe“ zu erkennen glauben und auf keine Ausgabe verzichten wollen. Heute geht das noch gut - dank der florierenden Konjunktur im Hochproduktivitätsstaat Deutschland. Davon profitiert unsere Stadt bekanntlich ganz besonders. Doch über heute hinaus will von denen, die diesen Haushalt verantworten, keiner blicken. Bürgerliche Politik im besten Sinne ist das nicht: Es ist Finanzpolitik nach dem Motto „Wir hoffen auch fürderhin auf das spendables Christkind namens Gewerbesteuer“. In diesem Sinne wünsche ich: Fröhliche Weihnachten – Frankfurt wird von Schwarz-Grün beschert!