Leserbriefe zu Energiewende und Atomausstieg
Frankfurter Physiker und Lokalpolitiker meldet sich zu Wort

Wir dokumentieren hiermit zwei hochinteressante Leserbriefe des Physikers und Ortsbeirats Knut Emmert, der die Freien Wähler – Bürger Für Frankfurt im Ortsbeirat 2 (Westend/Bockenheim/Kuhwald/Rebstock) vertritt. Wir erwarten, dass der Inhalt der Briefe Diskussionen provozieren wird und freuen uns auf alle Beiträge.
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an Frankfurter Rundschau (bislang nicht abgedruckt):
Betr.: Leserbrief „Berechtigte Klagen der Atomkonzerne“ (FR 2015-02-17)
Wenn Leser Jörg Brauns den deutschen „Atomausstieg“ als „übereilten Schnellschuß“ abqualifiziert, dann drückt er sich sehr milde und höflich aus. Denn aus den Tatsachen ergab sich auch damals schon nicht die geringste logische Begründung, warum Deutschland seine Kernkraftwerke wegen des Fukushima-Desasters abschalten sollte. Das gehorchte eher der verqueren Logik: „Wenn in Japan ein Flugzeug abstürzt, dann legt Deutschland alle Straßenbahnen still, weil das auch Verkehrsmittel sind.“
Tatsache ist: nach einem Erdbeben vor der japanischen Küste überschwemmte ein Tsunami das Land. Durch diese doppelte Naturkatastrophe fanden ca. 19000 Menschen den Tod und unermeßliche Sachschäden wurden angerichtet. Die Reaktorblöcke von Fukushima schalteten sich sofort aufgrund der seismischen Schwingungsanregung ab, so wie es die Sicherheitsauslegung vorsah.
Leider hatten aber die Ingenieure, die die Anlagen ausgelegt hatten, ebenso wie die Manager des Betreibers TEPCO unglaublich brutale Fehler begangen. Ausgerechnet in jenem Land, aus dessen Sprache der Begriff „Tsunami“ in den weltweiten Sprachgebrauch einging, wurden die Notstrom-Dieselgeneratoren (die für den Notfallbetrieb nach Netzausfall benötigt werden) allesamt in leicht überflutbare Kellerräume plaziert.
Damit war die Anlage nach dem Tsunami stromlos; denn der Anschluß an das japanische Stromnetz war ja durch das Erdbeben zerstört worden, und die Notstromdiesel waren abgesoffen. Ohne Strom war die Nachwärmekühlung nicht mehr gewährleistet, was zur Überhitzung des Kerns, und zur Freisetzung von Wasserstoff infolge der Zirkon/Wasser-Reaktion führte. Die Folge war die Knallgasexplosion, die drei Reaktorgebäude zerfetzte - was in diesem Ausmaß auch nur geschehen konnte, weil diese sträflich leichtsinnig zu schwach dimensioniert waren.
Ich selbst hatte vor Jahren dem Betreiber die Lieferung von Wasserstoff-Rekombinatoren angeboten, durch die derartige Explosionen verhindert werden können. TEPCO antwortete, man benötige so etwas nicht …
In deutschen Anlagen sind diese Geräte installiert. Und unsere Notstromdiesel sind erdbeben-, feuer- und überschwemmungssicher oberirdisch aufgestellt. Von einer Reihe anderer Sicherheitseinrichtungen, die wir den Anlagen von Fukushima zusätzlich voraus haben, aus Platzgründen zu schweigen. Hier hätte - selbst wenn die gleiche Naturkatastrophe sich hier ereignet hätte (wobei die Tsunamigefahr in Biblis am Rhein doch recht gering sein dürfte), kein einziges Kernkraftwerk einen nennenswerten Schaden davongetragen.
Aber obwohl die technischen Fehler von Fukushima ebenso bekannt waren, wie die entscheidenden Unterschiede der deutschen zur japanischen Technik, äußerte Bundeskanzlerin Merkel, hier habe „sich das Restrisiko gezeigt“. Damit hat sie sich als total ahnungs- und verantwortungslos gezeigt. Dem setzte sie aber noch die Krone auf, indem sie über den Kernenergieausstieg eine sogenannte „Ethikkommission“ entscheiden ließ, in der zwar Priester saßen, aber keine Fachleute der Kernenergie.
Seither lebt Deutschland unter der „Energiewende“, an deren deutschem Wesen wieder mal die Welt genesen soll. Nur will das keiner, Deutschland ist allein zu Haus, der Rest der Welt baut neue Kernkraftwerke. Klar, Österreich regt sich auf - aber ob aus dem Land, das uns einst den „größten Feldherrn aller Zeiten“ schickte, jetzt doch noch das Heil oder zumindest die Intelligenz kommt?
Natürlich ist es angesichts des Klimawandels richtig und notwendig, die regenerative Energieversorgung stark auszubauen. Aber es ist völlig schwachsinnig, ausgerechnet die leistungsfähigste (und als einzige grundlastfähige) CO2-freie Energiequelle abzuschalten. Die deutsche Energiepolitik heizt den Klimawandel sogar noch an. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, daß die Behauptung, Gaskraftwerke seien weniger klimaschädlich als Kohlekraftwerke, angesichts der realen Methan-Leckagen im gesamten Versorgungssystem eine unverschämte Volksverdummung ist. Die natürlich von allen Ahnungslosen nachgeplappert wird.
Nein, die „Energiewende“ ist keine Energiepolitik. Sie ist ein typisch deutsches quasireligiöses Wahnsystem.
an FAZ (am 2.3. stark gekürzt abgedruckt):
Betr.: Leserbrief „Der falsche Weg“ (FAZ 2015-02-10)
Leser Dr. Bernward Löwenberg sei Dank; denn er hat recht, mit jedem einzelnen Satz. Natürlich ist es angesichts des Klimawandels richtig, die regenerative Energieversorgung stark auszubauen. Aber es ist wegen der extremen Schwankungen des regenerativen Energieangebots völlig schwachsinnig, ausgerechnet die leistungsfähigste (und als einzige grundlastfähige) CO2-freie Energiequelle Kernenergie abzuschalten. Die deutsche Energiepolitik heizt den Klimawandel sogar noch an. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, daß die Behauptung, Gaskraftwerke seien weniger klimaschädlich als Kohlekraftwerke, angesichts der realen Methan-Leckagen im gesamten Versorgungssystem eine unverschämte Volksverdummung ist. Die natürlich von allen Ahnungslosen nachgeplappert wird.
Aus den Tatsachen über das Fukushima-Desaster ergab sich seinerzeit nicht die geringste logische Begründung, warum Deutschland seine Kernkraftwerke wegen des Fukushima-Desasters abschalten sollte. Das gehorchte eher der verqueren Logik: „Wenn in Japan ein Flugzeug abstürzt, dann legt Deutschland alle Straßenbahnen still, weil das auch Verkehrsmittel sind.“
Insbesondere die Installation der Notstromdiesel in leicht überflutbaren Kellern (ausgerechnet in dem Land, das uns das Wort „Tsunami“ bescherte!) im Gegensatz zur entsprechenden Hochsicherheits-Installation bei deutschen Kernkraftwerken, und der Verzicht auf Wasserstoff-Rekombinatoren (die ich seinerzeit selbst dem Betreiber TEPCO angeboten hatte, der aber meinte, er bräuchte sie nicht - weshalb ihm seine Reaktorgebäude dann um die Ohren flogen) waren die Ursache, daß überhaupt Schäden in Fukushima auftraten.
Aber obwohl die technischen Fehler von Fukushima ebenso bekannt waren, wie die entscheidenden Unterschiede der deutschen zu japanischen Technik, äußerte Bundeskanzlerin Merkel, hier habe „sich das Restrisiko gezeigt“. Damit hat sie sich endgültig als total ahnungs- und verantwortungslos gezeigt. Dem setzte sie aber noch die Krone auf, indem sie über den Kernenergieausstieg eine sogenannte „Ethikkommission“ entscheiden ließ, in der zwar Priester saßen, aber kein einziger Fachmann der Kernenergie.
Und natürlich sind bei der nun folgenden „Energiewende“ die Kosten zu beachten, wobei die Altmeier-Zahl von einer Billion Euro inzwischen schon als euphemistisch angesehen werden muß (gegenüber denen alle staatlichen Leistungen für die Kernenergie in 60 Jahren wie Peanuts erscheinen - wobei das meiste gar keine Subvention, sondern Förderung der Sicherheitsforschung war). Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden: Geld, das für Energie ausgegeben werden muß, steht nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung. Gutsituierte schwarzrotgrüne Politiker begreifen nicht, daß ärmere Menschen für die Energie am Essen oder an der Gesundheit oder an der Bildung sparen müssen. Deutschlands Stromversorgung wird in wenigen Monaten die teuerste Europas sein; in Frankreich zahlt man nur etwa die Hälfte für den Strom. Für den Industriestandort Deutschland ist das keine gute Prognose (auch wenn sich jeder durch die aktuell gute Wirtschaftssituation einlullen läßt - wie der Bergwanderer, der am Abgrund steht und die schöne Aussicht genießt, aber nicht daran denkt, daß der nächste Schritt fatal ist).
Die Blackout-Gefahr wird von den Energiewendern gern kleingeredet. Als Kerntechniker bin ich gewohnt, die Dinge probabilistisch zu sehen. Murphy’s Gesetz gilt. Noch können wir kurzfristig anfallende Überschüsse an Wind- und Solarstrom ins Ausland wegdrücken (wenn wir Geld mitliefern) oder Stromlücken bei Flaute durch Importe ausgleichen (wenn wir entsprechend teuer bezahlen). Aber unsere Nachbarn bereiten sich derzeit schon vor, sich vom deutschen Netz abkoppeln zu können, weil die deutsche Stromsituation immer bizarrer werden wird und damit deren eigene Energieversorgung gefährdet.
So werden wir eines Tages (wenn 2023 das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet wurde) im bundesweiten Blackout versacken. Und wenn Murphy zuschlägt, dann wird dieser auch länger anhalten. Notstromaggregate werden ausfallen, Menschen in Kliniken werden sterben, Polizei und Feuerwehr werden mangels Strom handlungsunfähig werden, Geschäfte werden geplündert, marodierende Banden übernehmen das Regime. Das ist sicher das „worst case“-Szenario. Aber in Deutschland haben wir mehrfach gezeigt, daß wir eine hohe Affinität zum „worst case“ haben - eben das „deutsche Wesen“, an dem schon immer die Welt genesen sollte. Nur will das sonst niemand, Deutschland ist allein zu Haus, der Rest der Welt baut neue Kernkraftwerke. Klar, Österreich regt sich auf - aber ob aus dem Land, das uns einst den „größten Feldherrn aller Zeiten“ schickte, jetzt doch noch das Heil oder zumindest die Intelligenz kommt?
Nein, die „Energiewende“ ist keine Energiepolitik. Sie ist ein typisch deutsches quasireligiöses Wahnsystem.
„Müssen wir es erst am eigenen Leib erfahren, bis wir verstanden haben, daß wir auf dem falschen Weg sind?“ fragt Dr. Löwenberg. Ja, ich fürchte, wir müssen. Erst wenn wir am Boden sind, so wie 1918 oder 1945, erst dann werden wir wieder rufen: „nie wieder!“ - bis zum nächsten Mal …