Bernd Lucke ist als Parteiführer gescheitert

Nur sein Rückzug kann die AfD retten

Bernd Lucke ist als Parteiführer gescheitert
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Die Konflikte in der AfD haben ein Stadium erreicht, in denen es mit der jetzigen Führung keine nachhaltig wirksamen Kompromisse zwischen dem liberal-konservativen Flügel um Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel und dem freiheitlich-patriotischen Flügel um Björn Höcke und Alexander Gauland mehr geben kann. Die Hauptschuld an dieser dramatischen Entwicklung trägt nach meiner Auffassung Lucke, der es nicht verstanden hat und ganz offensichtlich auch nicht verstehen will, dass es die Aufgabe eines Parteiführers ist, integrierend und nicht polarisierend zu wirken.

Deshalb wird auch die eventuell immer noch mögliche Wahl von Lucke zum AfD-Vorsitzenden auf dem kommenden Bundesparteitag im Juni keine Beruhigung bringen, sondern die Fronten so verhärten, dass noch in diesem Sommer eine Spaltung der Partei mehr als wahrscheinlich ist. Denn Lucke ist zu offensichtlich Partei in der Partei geworden, um noch glaubwürdig vermitteln zu können zwischen den beiden Flügeln, die es tendenziell von Anfang an in der AfD gab und ohne deren übergreifender Wille, sich zu einer neuen Kraft als Alternative zu den etablierten Parteien zu konstituieren, es keine AfD gäbe. Lucke muss diese Verbindung verschiedener politischer Strömungen immer bewusst gewesen sein, er hat durchaus auch damit kalkuliert.

Wenn ihm jetzt die „Rechten“ in der AfD so lästig geworden sind, dass er diese auch mit wirklich schäbigen, äußerst fragwürdigen Mitteln an der Rand und sogar aus der Partei drängen will, dann muss ihm der Vorwurf gemacht werden, tausende zum Gutteil sehr aktive und opferbereite Mitglieder nun als lästigen „Beifang“ (Konrad Adam) loswerden zu wollen, um allein seine Vorstellung, wie die AfD beschaffen sein soll, zu verwirklichen. Dabei handelt er nicht nur als Parteiführer verantwortungslos desintegrierend, sondern ignoriert auch egozentrisch, dass die Partei trotz all seiner unbestrittenen Verdienste nicht ihm, sondern allen gehört, die in ihr und für sie tätig sind, also den Mitgliedern.

Lucke sollte auch wissen, wie sehr gerade Menschen aus dem freiheitlich-patriotischen Flügel mit ihrem aktiven Einsatz zum Aufstieg der AfD beigetragen haben. Wenn er das – aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr wahrhaben will, wofür es leider starke Indizien gibt, dann schädigt, ja zerstört er das Werk, an dem er entscheidend beteiligt war. Eine AfD ohne die Mitglieder, die sich offen oder mit Sympathie zur „Erfurter Resolution“ bekennen, ist keine politische Alternative mehr in Deutschland. Denn die politische Alternative, die tatsächlich gebraucht wird, ist eine Partei, welche die längst überfällig zu besetzende Position rechts von dem nach links gerutschten Parteienblock ausfüllt. Das ist jedoch keineswegs der Platz einer originär rechten Partei, sondern vorerst einmal lediglich das so notwendige Korrektiv und die so notwendige Ergänzung in einem politischen Spektrum, in dem sich wachsende Teile des Volks nicht mehr repräsentiert und vertreten fühlen.

Genau deswegen wurden und werden noch immer so große Hoffnungen vieler Menschen in Deutschland in die AfD gesetzt. Es ist die Pflicht und die Aufgabe der Parteiführer, mit diesen Hoffnungen, denen sie ja die eigenen politischen Karrieren verdanken, verantwortungsvoll umzugehen. Es mag schon sein, dass Lucke von vornherein nichts anderes im Sinn hatte als die AfD zur „besseren“, etwas konservativeren, traditionelleren und wirtschaftsliberaleren CDU, in der er immerhin über dreißig Jahre seines Lebens Mitglied war, zu gestalten. Doch dann hätte er sich von Anfang an konsequent scheuen müssen, all denen, die endlich auch eine Partei mit freiheitlich-patriotischen Inhalten mit auf die Beine stellen wollten, einladende Signale zu geben. Spätestens aber, als auf dem Gründungsparteitag Konrad Adam zum Widerstand gegen die „politische Korrektheit“ aufforderte und das von der politischen Linken als „Nazi-Zeitung“ verteufelte rechtskonservative Wochenblatt „Junge Freiheit“ offen verteilt und gelesen wurde, konnte nicht nur, sondern musste der Eindruck entstehen, dass die demokratische, nichtextreme Rechte eine neue Heimat finden könnte. Lucke hat das nicht nur geduldet, sondern gefördert – nicht zum Nachteil der Partei.

Denn glauben Lucke, Henkel und ihr Anhang tatsächlich, das gute, wenn auch nicht ganz ausreichende Ergebnis bei der Bundestagswahl sowie der erste Erfolg bei der Europawahl wären möglich gewesen, wenn dem Wähler eine CDU 2.0 oder ein FDP-Revival auf dem Stimmzettel begegnet wäre? Die großen Erfolge bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben dann bewiesen, welches Potential die AfD hat, wenn sie die Sorgen und Ängste, aber auch die Hoffnungen der sogenannten ‚kleinen Leute‘ politisch formuliert. Es war übrigens diese Mehrheitsgruppe der Bevölkerung, die in Hamburg trotz eines falsch und feige angelegten Wahlkampfs der AfD für ein noch halbwegs akzeptables Ergebnis, wenngleich weit unter den örtlichen Möglichkeiten, sorgte. Allerdings wurde in Henkels ‚Hochburg‘ auch die bereits leichenblasse FDP wieder revitalisiert, was sich in Bremen demnächst wiederholen könnte.

Eine der schwerwiegendsten Fehlentscheidungen Luckes war die Kandidatur für das EU-Schein- und Spesenparlament sowie die Eingliederung dort in eine Fraktion. Damit mochte Lucke seinen persönlichen Ehrgeiz befriedigt haben, als Führer einer organisatorisch und programmatisch noch sehr labilen Partei verwendet er aber für dieses Mandat Kräfte und Autorität, die er für deren Stabilisierung gebraucht hätte. Über zwei Jahre nach ihrer Gründung hat die Alternative für Deutschland noch immer kein Programm, mit dem sie dokumentieren könnte, auch wirklich eine Alternative zu sein – ein Skandal! Wenn Lucke nun einen obskuren „Mitgliederentscheid“ unterstützt (und diesen wahrscheinlich sogar initiiert hat), der im Schnellverfahren Positionen festklopfen soll, über die erst noch innerparteilich gestritten und entschieden werden muss, dann zeigt er, wie wenig ihm an der Integration der Parteiströmungen, sondern wie viel ihm an der Durchsetzung persönlicher Macht liegt.

Doch selbst wenn sich Lucke bei dem „Mitgliederentscheid“ durchsetzen sollte oder im Juni eine Mehrheit gewinnt, die ihn zum alleinigen Parteiführer macht – er wird in jedem Fall damit all jene verlieren, ohne die die AfD dann nur noch eine CDU oder FDP 2.0 sein wird. Eine solche Partei wird nicht gebraucht und wird auch nicht die notwendigen Stimmen erhalten, um politisch etwas bewirken zu können. Will Lucke nicht die schwere Verantwortung auf sich nehmen, vom Gründer zum Totengräber der AfD zu werden, dann muss er sich aus der Parteispitze zurückziehen und sich auf sein Mandat im EU-Parlament konzentrieren.

Die AfD braucht jetzt Persönlichkeiten in der Führung, die integrieren wollen und können. Bernd Lucke will das jedenfalls nicht. Dass sollte auch denen klar werden, die ihm einst zugejubelt haben und das zum Teil immer noch tun. Denn nicht die Existenz eines Ökonomieprofessors ist in Gefahr, sondern die Existenz einer Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt. Und was bräuchte unser Deutschland dringender als eine echte politische Alternative?


Wolfgang Hübner

Leserkommentare (1)

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Als Vorsitzender eines kleinen, aber politisch nicht ganz unbedeutenden Vereins in Frankfurt am Main müssen einige Anmerkungen zu diesem wichtigen Beitrag erlaubt sein. Es ist völlig zutreffend, dass auch für Außenstehende der AfD der Riss, der durch die Partei geht, offensichtlich ist. Die sogenannten Liberal-Konservativen stehen den Freiheitlich-Patriotischen gegenüber. Diese Bezeichnungen sind nicht gerade zutreffend, spiegeln aber vielleicht noch am ehesten die beiden Lager wieder. Ich selbst hegte große Hoffnungen in, auf und für diese neue Partei als ich beim sogenannten kleinen Gründungsparteitag in Oberursel 2013 dabei war. Diese Hoffnungen wurden jedoch im Laufe des kurzen Bestehens der AfD mehr und mehr zerstört.

Die Forderung von einem Vorsitzenden zu verlangen, „integrierend“ zu wirken und zu agieren, ist völlig legitim. Allerdings sind der Integration sehr verschiedener politischer Lager und den dazugehörigen zumeist sehr egozentrisch auftretenden Personen engere Grenzen gesetzt, als gemeinhin angenommen wird. Vermutlich ist Bernd Lucke nicht der Typ Mensch, der dies zu leisten im Stande ist. Es muss aber die Frage erlaubt sein, ob es überhaupt einen Menschen gibt, der diese schwierige Aufgabe leisten kann, denn die beiden Lager trennt sehr viel mehr als sie verbindet.

Wer sich dem freiheitlich-patriotischen Lager zurechnet, muss mit den schlimmsten Anfeindungen rechnen, die man sich im real existierenden Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts vorstellen kann: nazistisch, rechts-extrem, antisemitisch und antidemokratisch werden wohl die gängigsten Bezeichnungen sein. Damit werden die Freunde des liberal-konservativen Lagers, die ja eigentlich nicht mehr wollen, als einen stabilen, strengeren Kriterien unterliegenden EURO (ohne Griechenland) nichts zu tun haben wollen. Grundlegende Fragen nach einer Grundgesetzreform mit stärkeren plebiszitären Elementen, einem eventuellen Ausscheiden aus dem EURO, neuen Bündnissen jenseits des US-amerikanischen Transatlantikpaktes etc. werden den Liberal-Konservativen zuwider sein und unheimlich erscheinen. Und die Freiheitlich-Patriotischen haben kein Interesse daran, zum sogenannten „Steigbügelhalter“ für eine Koalition mit der CDU zu werden, die im Grunde nur „ein so weiter wie bisher“ zur Folge haben wird.

Der Graben ist daher unüberwindbar groß und die Folge dieses zuerst schwelenden und nun immer offener zu Tage tretenden Konflikts ist vorprogrammiert: eine Seite wird unterliegen und die andere gewinnen. Egal, wer diesen inneren Konflikt für sich entscheidet, er trägt einen Pyrrhussieg davon, der am Ende das etablierte politische Lager in Deutschland weiter in dessen Untergang führen wird. Die AfD schlingert zwischen Skylla und Charybdis, sie hat nicht die geringste Chance und soll diese doch irgendwie nutzen. Am Ende ist sie vielleicht nur ein „Experiment“, wenn auch ein wichtiges, das hilft, den Weg für eine zukünftige „echte Alternative“ zu ebnen. Mit Blick auf die wirklich schweren vor Europa und insbesondere Deutschland liegenden Entscheidungen erscheint mir ein pathetischer Vergleich angebracht: Die AfD gleicht dem mahnenden Täufer Johannes, der am Jordan zwar ein beachtliches Häuflein um sich geschart hat, aber letzten Endes seinen Kopf verlor. Es bedarf jedoch eines Messias mit Herz, Verstand und Chrisma, auf den der Satz des Johannes zutrifft: „Ihr könnt mich aufhalten, aber ihr könnt den nicht aufhalten, der nach mir kommt!“

Patrick Schenk