Wie mir statt der Queen Gaucks Geliebte die Hand gab

Ein Erlebnisbericht aus dem kommunalpolitischen Alltag

Wie mir statt der Queen Gaucks Geliebte die Hand gab
© NASA


Vor einigen Woche erreichte mich vom hessischen Ministerpräsidenten Bouffier, seiner Frau Ursula und Oberbürgermeister Feldmann eine Einladung, der zu folgen ich schwerlich widerstehen konnte. Denn diese Einladung verhieß mir eine „persönliche Begegnung“ mit Ihrer Majestät Elizabeth II und deren Gemahl, den unverwüstlichen Prinz Philip, Herzog von Edinburgh. Zudem wurde mir noch die Begleitung des hohen Pares durch den Herrn Bundespräsidenten Gauck und einer Frau Daniela Schadt angekündigt. Frau Schadt ist bekanntlich nicht die Ehefrau Gaucks, sondern seine „Lebensgefährtin“. Da der Bundespräsident aber schon ziemlich alt und Frau Schadt sichtlich wesentlich jünger ist, könnte man sie mit größerem Recht als Geliebte des Bundespräsidenten bezeichnen, was ja nebenbei auch letzteren durchaus aufwertet.

Wie dem auch sei: Ich meldete mich bei den freundlichen Gastgebern zurück und studierte eifrig ein der Einladung beigelegtes Blatt mit dem Titel „Royale Hinweise“, auf dem bestimme Verhaltensweisen bei einem möglichen Kontakt mit den königlichen Senioren ans Herz gelegt wurden: „Die Königin reicht ggfs. zuerst die Hand, ebenso ihr Prinzgemahl“ oder „Ansonsten bitte keinerlei Körperkontakt, etwa Berührung am Arm, Schulter oder Rücken“ sowie Belehrungen über die korrekte Anrede („Your Majesty“). Und natürlich sollten keine „spontanen Fotos oder Autogramme“ von der 89jährigen Elizabeth und dem 95jährigen Philip erfragt werden. Ich beschloss, das alles brav zu befolgen und machte mich an einem sonnigen Junitag des Jahres 2015 auf zu dem angegebenen Treffpunkt für das große Ereignis.

Dieser Treffpunkt der geladenen Gäste befand sich im Gebäude einer bekannten  Versicherungsgesellschaft gegenüber der Paulskirche. Dort bekam ich meine Akkreditierung, musste mir einen entsprechenden Ausweis mit britischer und deutscher Flagge um den Hals hängen und befand mich nun in der erlesenen Gesellschaft wichtiger und sich für wichtig haltende Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft unserer kleinen Weltmetropole Frankfurt am Main. Da ist intensives gegenseitiges Händeschütteln und Küsschengeben unvermeidlich, wenngleich für einen unbequemen Oppositionellen wie mich nur in stark abgeschwächter Weise strapaziös.

Was mir gleich auffiel, war die geradezu fiebrige Erwartungshaltung bei fast allen, die im Versicherungsgebäude versammelten. Die Damen hatte sich extra schick gemacht, die Herren, ich machte keine Ausnahme, waren im korrekten Anzug erschienen. Nur der in jeder Weise unabhängige Theaterprinzipal Willy Praml war in einer eigenartigen schneeweißen Künstlerkluft erschienen und galt mir sofort als Favorit für eine besonders intensive persönliche Begegnung mit der Queen. Jeder hatte inzwischen ein Kärtchen mit dem hessischen Staatswappen. Auf meinem war zu lesen: „Politik II/1“. Ich vertrieb mir die immer länger sich dehnende Wartezeit bis zum Abmarsch gen Paulskirche mit Theorien über die Bedeutung von „Politik II/1“. Als Stadtverordneter gehörte ich zweifellos in die Abteilung Politik. Als Mitglied einer kleinen Fraktion ebenso zweifellos in die weniger wichtige Gruppe dieser Abteilung. Aber warum diese „1“? Sollte ich tatsächlich der erste unter den weniger wichtigen Kommunalpolitikern sein? Um es vorweg zu sagen: Dieses Rätsel blieb bis zum Ende des königlichen Spektakels ungelöst, und ich will es nun auch ungelöst lassen.

Irgendwann an diesem Vormittag hatte auch die Warterei in der Versicherung ein Ende, und wir marschierten mit polizeilicher Begleitung und unter den stets wachsamen Augen nervöser Protokolldamen über die abgesperrte Berliner Straße in die Paulskirche. Dort sollten wir uns in Gruppen gemäß dem Kärtchen zusammenfinden. So stand ich plötzlich mit vier Grünen zusammen, darunter zwei Dezernentinnen, zu denen ich im politischen Alltag nicht die freundschaftlichsten Kontakte pflege. Aber was nimmt man nicht alles für eine persönliche Begegnung mit einem lebenden Mythos, was die alte Elizabeth gewiss ist, auf sich…

Zudem gab es, das wurde mir bei der abermals langen Warterei in der Rotunde der Paulskirche klar, ein gemeinsames Schicksal: Wir alle waren nicht eingeladen worden zur Teilnahme am Festessen im Römer! Da es sich bei einer der beiden grünen Dezernentinnen um die Zuständige für Diskriminierungen handelte, erwog ich, bei ihr Protest gegen diese Herabstufung meiner Wichtigkeit einzulegen, verzichtete indessen großzügig darauf und starrte immer ungeduldiger mit immer müderen Beinen auf die Tür, durch die die Queen und ihr Gemahl kommen sollten.

Und da war sie endlich – klein, weißhaarig, ganz in Blau mit blauem Hut. Leicht gebeugt, das aber schon seit geschätzten 100 Jahren, hinter ihr Prinz Philip. Zu nicht nur meinem Entsetzen schwenkte die Queen in die entgegengesetzte Richtung der Spalier bildenden Gäste, unserer Halbrunde jedoch näherte sich der Prinz. Er machte einen erstaunlich rüstigen Eindruck, erkundigte sich - mal in Englisch und auch in Deutsch - nach der Zahl der Stadtverordneten und der Einwohner Frankfurts, nickt die eilfertigen Antworten routiniert ab und ging weiter. Unterdessen beendete die Queen ihre Halbrunde und wurde mit dem Aufzug in den Saal der Paulskirche gefahren, um einen Blick auf diesen traditionsreichen Ort zu bekommen. Nun ging in unseren Gruppen stumm die bange Frage um: Würde Elizabeth II am Ende gar nicht bei uns vorbeischreiten?

Derweil uns dieser Gedanke quälte, stand plötzlich eine ebenso ansehnliche wie patente Dame vor mir, die ich nach kurzer Irritation als Lebensgefährtin resp. Geliebte des Bundespräsidenten identifizierte und reichte mir mit einem leicht abwesenden Lächeln ihre weiche Hand. Beinahe hätte ich da mein einstudiertes „Your Majesty“ gestammelt, doch ich hütete in letzter Sekunde meine Zunge, zumal Frau Schadt da schon die nächsten Hände schüttelte und ich nun auch noch die huldvoll gereichte Hand der Frau des hessischen Ministerpräsidenten in der meinen verspürte. Kurz darauf kam der Aufzug mit der Queen wieder nach unten und, welche Erleichterung, sie bewegte sich mit Trippelschrittchen doch noch an uns Lokalgrößen vorbei, allerdings weit genug entfernt, um nicht in die Gefahr persönlicher Begegnungen mit einem von uns oder gar Willy Praml zu geraten.

Immerhin hatte ich die Frau, bei deren Krönung ich noch nicht sieben Jahre alt war, nun doch einmal lebendig gesehen. Und da der nächste Besuch der ewigen Queen in Frankfurt sicher erst in einigen Jahrzehnten ansteht, ich aber meine eigene Lebenserwartung nicht maßlos überschätzen sollte, machte ich hungrig und durstig, jedoch keineswegs unzufrieden über all die diese neuen royalen und republikanischen Damenbekanntschaften den Abgang in den Alltag über den Roten Teppich am jubelnden Fußvolk vorbei in Richtung Rathaus. Dort heißt derzeit unser „König“ Feldmann, Der hat allerdings nur eine Goldkette, keine Krone und kann weder eine Ehefrau noch eine Lebensgefährtin resp. Geliebte öffentlich vorweisen. Armes Frankfurt! God save the Queen!
 

Wolfgang Hübner

Leserkommentare (2)

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Zu "Politik II/1":

"Viele aber, die Erste sind, werden Letzte, und die Letzte sind, werden Erste sein."
(Mt 19,30)

Also, "Geliebte" ist nun diskriminierend: Nach allgemeiner Auffassung ist diese eine Frau, die sich der Mann - meist heimlich - neben der Ehefrau hält, mit der er zusammen lebt.
Gauck nun lebt - frisch gegoogelt - seit 2000 mit Frau Schadt zusammen, also seit 15 Jahren. Das nennt man dann nach allgemeiner Auffassung "Lebensgefährtin".
Dass die seit dieser Zeit nicht mehr vollzogene Ehe immer noch besteht - na und?
Und dass sie 20 Jahre jünger ist, also seine Tochter sein könnte, ist ja nun gang und gäbe.
Wollen wir doch froh sein, dass in unseren Werte verlierenden Zeiten der Bundespräsident statt seiner Lebensgefährtin keinen Mann an seiner Seite hat, was ja dann voll modern wäre!

D.Schreiber