Das Wahlsystem ist nicht das Problem

Verfehlte Ursachensuche nach erneut schwacher Wahlbeteiligung

FREIE WÄHLER - Fraktion im Römer

PRESSEMITTEILUNG 18/2011
Frankfurt/Main, 6. April 2011

Warum waren bei der Kommunalwahl am 27. März 2011 deutlich mehr als die Hälfte aller stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger Frankfurts nicht willens, ihr wichtigstes Recht in der Demokratie in Anspruch zu nehmen? Diese Frage ist so aktuell wie auch schon nach der Wahl 2006, die eine noch geringfügig niedrigere Beteiligung aufwies. Seitens der Bundesparteien gibt es dazu nur Ratlosigkeit oder die Ausflucht, das Wahlsystem mit Kumulieren und Panaschieren samt den – in Frankfurt – großformatigen Wahlzetteln sei dafür verantwortlich. Letzteres ist eine besonders bequeme, aber auch besonders irreführende Antwort auf eine Entwicklung, die der Legitimität der politischen Vertretung des Volkes in den Parlamenten alles andere als zuträglich ist.

Die Wahl am 27. März war in Frankfurt und ganz Hessen die dritte Kommunalwahl ohne Fünf-Prozent-Hürde sowie der Möglichkeit für die Wähler, Kandidaten auf den Listen zu stärken oder zu streichen und auch der Möglichkeit, Stimmen auf Kandidaten verschiedener Listen zu verteilen. Für viele Wähler war das geltende Wahlsystem also keineswegs neu. Komplizierter als eine Gebrauchsanweisung für ein beliebiges Elektrogerät ist es gewiss auch nicht. Und wer sich nicht der Hektik eines Wahllokals aussetzen will, kann über Briefwahl daheim in aller Ruhe die Möglichkeiten des Wahlsystems ausloten. Ferner hat es an Hilfen zum Verständnis und richtigen Gebrauch des Kumulierens und Panaschierens nicht gefehlt.

Wenn jetzt aus den Bundesparteien der Ruf nach „Vereinfachung“ des Wahlsystems laut wird, dann ist dafür nicht  die Sorge um angeblich überforderte Wähler der Grund, sondern das durchsichtige Bestreben, wieder mehr Macht über die Kandidatenliste zu bekommen. Um diese – ja ohnehin nur teilweise – verlorene Macht trauern alle Bundesparteien in Frankfurt mehr oder weniger offen. Besonders ausgeprägt dürfte das bei der SPD sein, wo ein innerparteilich ungeliebter Kandidat von weit hinten auf der Liste auf Platz 2 gelangte – wenngleich mit einer überaus peinlichen Eigenkampagne. Selbstverständlich hat gerade das Kumulieren, also das Häufeln von Kandidatenstimmen, auch diskussionswürdige Aspekte.

Doch ein perfektes System kann es nun einmal nicht geben, wohl aber richtigere Erklärungen für die hohe Wahlabstinenz. Eine ganz wichtige ist: Viele Menschen vermissen die Möglichkeit, dass sie mit ihren Stimmen irgendeinen realen Einfluss auf wichtige Entscheidungen haben, die ihr Leben vor Ort spürbar bestimmen. Zweifellos besonders wichtig ist die Frage, wie viel Geld die Bürger real an Steuern und Gebühren für die Infrastruktur und Leistungen ihrer Stadt aufbringen müssen.

Würde bei Kommunalwahlen auch darüber entschieden, welche Belastungen die konkurrierenden Listen den Wählern auferlegen wollen und was das folglich an mehr oder weniger Leistungen zur Konsequenz hätte, würde die Wahlbeteiligung sofort deutlich, wenn nicht sogar drastisch in die Höhe schnellen. Die FREIEN WÄHLER haben bei verschiedener Gelegenheit diesen Vorschlag gemacht, er ist auch Teil des Wahlprogramms 2011.  Wer  ehrlich die niedrige Wahlbeteiligung verbessern will, wird an der Realisierung dieses Vorschlags nicht vorbeikommen.

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.