Thema Nummer 1: Flüchtlingsunterkünfte
Bericht aus vier Frankfurter Ortsbeiräten

Am Dienstag, 19. Januar 2016 tagte der mit 135.000 Einwohnern größte Ortsbeirat Deutschlands: Der Ortsbeirat 6 umfasst alle neun Stadtteile im Frankfurter Westen. Es war nicht in der Tagesordnung angekündigt, dass einer der beiden Geschäftsführer der Evangelischen Wohnraumhilfe noch vor der Bürgerfragestunde dieses Projekt vorstellte: Statt Wohnungen werden nördlich der S-Bahnstation „Ffm-Farbwerke“ in der Silostraße in Unterliederbach Richtung Zeilsheim Flüchtlingsunterkünfte gebaut. In 2-geschossigen Containern sollen 80 Plätze geschaffen werden. Dazu ein Gemeinschaftsraum mit Fernseher und Küchen.
Zweieinhalb Stunden später im benachbarten Ortsbeirat 7 (Hausen, Industriehof, Praunheim, Rödelheim, Westhausen) blieb es im Publikum nicht so ruhig wie im Ortsbeirat 6: Völlig überfüllt war der Saal der kath. Kirchengemeinde St. Raphael im Industriehof: Viele interessierte Bürger mussten an der Wand stehen. Warum es so voll war? Vor allem, weil in der Tagespresse kurzfristig der Besuch von einer Mitarbeiterin des Sozialamtes angekündigt wurde, die Informationen zur geplanten Flüchtlings-Massenunterkunft mit 500 Plätzen in der Au 4-12 in Rödelheim-West geben werde. Auch dieser Besuch war vorab nicht in der Tagesordnung enthalten.
Manuela Skotnik, Pressereferentin des Sozialdezernates, informierte zu Flüchtlingsunterkünften im Ortsbezirk 7: In den ehemaligen Praunheimer Werkstätten ist man mit den Umbauten für 170 Plätze erst im 2. Quartal fertig. Unterkünfte werden massenweise gebraucht, denn: Es kommen pro Woche 200 Flüchtlinge, für 2016 wird mit 12.000 Flüchtlingen gerechnet. So werden in den Frankfurter Stadtteilen nun Großunterkünfte benötigt. Nach Neckermann in Fechenheim mit 2.000 Plätzen werden nun auf dem Gelände von 18.000 Quadratmetern der in Konkurs gegangenen Messebaufirma Ambrosius „In der Au“ in Rödelheim West in mehreren Hallen und Bürogebäuden insgesamt 500 Plätze geschaffen. Im März erst mal 25, im 2. Schritt Ende Mai 275 und im 3.Schritt im 3. Quartal noch mal 200. Es gibt noch keinen Betreiber hierfür. Hier soll es aber soziale Betreuung und einen Sicherheitsdienst geben.
Markus Hagedorn von Firma Sahle-Wohnen, der das Gelände gehört: Im Bürogebäude werden 24 Personen in Zimmern untergebracht. Hier gibt es auch Zimmer mit Küche. Mehrere Hallen dagegen bieten einen großen Raum mit Trockenbauwand-Unterteilungen für je 30 Personen. Dazu werden durch Abtrennungen Raumzellen für 2-4 Personen gebildet, die allerdings oben offen sind. Duschen und Sanitärbereiche werden eingerichtet werden.
Einige kritische Stimmen in Rödelheim-West
Eine jüngere Anwohnerin machte diese bedenkliche Rechnung auf: In Deutschland bedeuten bei 82 Millionen Einwohnern 1 Million Flüchtlinge 1,2 Prozent Flüchtlingsanteil. Für Frankfurt mit 720.000 Einwohnern ist der Flüchtlingsanteil bei 18.000 Flüchtlingen mit 2,5 Prozent doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Noch höher sind die Zahlen für Rödelheim: Bei 670 Flüchtlingen auf 17.746 Einwohner ist der Flüchtlingsanteil 3,8 Prozent! „Und das, wo im Seegewann bereits 170 Flüchtlinge untergebracht sind und Rödelheim so seinen Beitrag bereits geleistet hat.“ Und nun diese Zahlen: „Für unser Viertel - zwischen Westerbachstraße und Nidda – bedeuten 500 Flüchtlinge auf geschätzte 1200 Einwohner 42% Flüchtlingsanteil! Ich bin Anwohnerin und erwarte große Konflikte!“
Das Ambrosius-Gelände hat nach Recherchen einer Bürgerin diese Geschichte: Hier waren zur Blütezeit der Gastarbeiter in den 1960er Jahren für Hunderte hässliche Baracken aus Holz. Und auf dem Nachbargrundstück „In der Au 2“, wo mal die Metz-Werke waren, war zur Nazizeit ein Zwangsarbeiterlager (Quelle: Buch „Rödelheim 1933-1945“). So meinte eine ältere Bürgerin: „Ich denke, das gibt der ganzen Sache ein Geschmäckle.“ Und fügte hinzu: „Übrigens, die als Referenz vom Sahle-Vertreter genannten guten Erfahrungen in Köln sollte man doch in Frage stellen.“ Dazu eine Bürgerin: „500 auf diesem Gebiet ist eine Kasernierung. Das ist zu groß. Da droht Lagerkoller!“ Dazu Skotnik: „Rödelheim ist der erste Stadtteil in Frankfurt mit einem Großprojekt. Es sollen in weiteren Stadtteilen weitere Großprojekte kommen, als Erst- oder Folgeaufnahmen für zugewiesene Asylbewerber.
Meldet sich eine junge Frau: „Das ist ein Massen-Durchlauferhitzer! Wo schon 170 im Hotel am Seegewann am Wasserturm sind. Das ist viel für Rödelheim. Deshalb finde ich WIR (die Flüchtlingshilfe-Initiative „Willkommen in Rödelheim“) gut. Es sollten Patenschaften für Flüchtlinge übernommen werden“. Dagegen kritisch eine ältere Dame aus Hausen: „Ich fürchte Gruppenbildung, wo bei uns in Hausen die Türken bestens integriert sind, weil sie vereinzelt wohnen. Ein junger Mann hat mir mit „Scheiß Deutschland“ vor die Füße gespuckt. Mieter haben mir schon gekündigt.“ Und fragte: „Was stellt sich die Stadt in Hausen vor?“ Skotnik: „Ein größeres Gebäude für 30 Flüchtlinge ist in der Prüfung.“
Eine Dame, sie ist Volkshochschul-Lehrerin, bezweifelt die Integrationsmaßnahmen: „Flüchtlinge bekommen 200 Stunden Deutschunterricht, müssen aber drauf 5 Monate warten, weil es weder Lehrer noch Plätze gibt.“ Antwortet Skotnik: „Unsere Angebote gelten nur für die, die eine Bleibeperspektive haben. Afghanen gehören nicht dazu.“
Warum keine Flüchtlingsunterkünfte im Nordend?
Am Donnerstag, 21. Januar 2016 tagte der Ortsbeirat 3, der vor allem von gut verdienenden Gutmenschen von Grün bis Linksradikal bevölkert ist. Meldete sich in der Bürgerfragestunde ein Mann mit dieser provokativen Frage: Flüchtlingsunterkünfte würden nur abgelegen an den Stadträndern errichtet, meist in ehemaligen Gewerbeimmobilien. Warum nicht im zentral gelegenen Nordend? Da fragt sich der Berichterstatter: Welcher Investor, der von einer Erbengemeinschaft ein Gründerzeit-Objekt erworben und luxussaniert hat, möchte Flüchtlinge statt solventer Eigentumserwerber?
Flüchtlingsunterkunft auch in Sachsenhausen
Am Freitag, 22. Januar 2016 tagte der Ortsbeirat 5, zuständig für den Frankfurter Süden: Erster Punkt der Tagesordnung „Unterbringung von Flüchtlingen im Länderweg“. Kolja Müller von der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement und Dr. Matthias Bollinger vom Unterkunftsbetreiber DRK (Deutsches Rotes Kreuz) informierten: Jede Woche bekomme Frankfurt 180 bis 200 Flüchtlinge aus Gießen zugewiesen. Man rechne für dieses Jahr mit rund 10.000 Neuankömmlingen. Dazu kommen in 2016 noch einmal zirka 15.000 Neubürger! Insgesamt gibt es in Frankfurt 130 Flüchtlingsunterkünfte: Bis zu 2.200 werden es einmal in den ehem. Neckermann-Gebäuden sein, 900 sind aktuell in Turnhallen untergebracht, 750 unbegleitete Jugendliche in betreuten Wohnungen.
Am Länderweg, wo früher eine Schule war, sind schon die ersten Menschen eingezogen. Bis 450 Menschen sollen hier untergebracht werden: 171 in Familie, 165 Männer, 13 Frauen, 101 einzeln reisende Kinder und Jugendliche. Sie kommen aus der Sporthalle Süd. Ihre Herkunft ist Afghanistan, Syrien und Eritrea. Die Unterkunft am Länderweg ist befristet: Zum 31. Mai soll sie aufgelöst werden und wohl wieder als Schule dienen. Ein Bürger bemängelte, zu spät informiert worden zu sein. Dies habe zu Missstimmung geführt. Man müsse auf das Sicherheitsgefühl der Bürger mehr Rücksicht nehmen.
D. Schreiber