Die Kehrseite von Verdichtung und Wachstum

Errichtung weiterer Hochhäuser in Frankfurt schafft Probleme

Die Kehrseite von Verdichtung und Wachstum
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Die Tagespresse berichtete, dass sich die Stimmen mehren, die eine Fortschreibung des Hochhausrahmenplans fordern. Die "Skyline" soll erweitert werden. Wer hierzu vorschnell in Begeisterung verfällt, sollte aber auch die Nebenwirkungen bedenken. "Mehr Raum für neue Türme. Noch ist Platz für 13 Hochhäuser" schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in diesen Tagen.

Demnach sind sechs neue Türme momentan in der Frankfurter Innenstadt, im Europaviertel und in Sachsenhausen im Bau, darunter der neue Henninger-Turm. Für sieben weitere Hochhäuser gibt es bereits konkrete Planungen. So sollen vier Türme auf einmal auf dem ehemaligen Deutsche-Bank-Areal in der Junghofstraße entstehen, zwei Hochhäuser am einstigen Uni-Campus Bockenheim.

Architekt Jochem Jourdan fordert nun eine Liste für neue Hochhausstandorte in der Frankfurter Innenstadt. Nicht alles ist falsch an Jourdans Forderungen. So ist es zum Beispiel skandalös, dass das Land Hessen als Eigentümer das leer stehende Alte Polizeipräsidiums an der Friedrich-Ebert-Anlage aufgrund maßloser finanzieller Forderungen verfallen lässt, statt es baldmöglichst einem interessierten Investor zu überlassen. Das ist Bauspekulation einer staatlichen Stelle zum Schaden der Stadt und Bürger.

Dennoch sollte eine Ausweitung des Hochhausrahmenplans kritisch gesehen werden. Diejenigen Frankfurter, die sich vorschnell freuen, dass die Hochhaus-Skyline weiter wächst, müssen sich nämlich auch der Folgen bewusst sein. Man kann Stadtplanung nicht allein aus optischen Gründen vornehmen, also nach einem beliebten Postkartenmotiv, dass man beim Gang über den Eisernen Steg kurz genießen kann.

Hochhäuser bringen hohe Belastungen

Die gleichen Leute, die womöglich von der Skyline schwärmen, sind auch diejenigen, die sich zugleich über viele tägliche Belastungen beschweren, ohne zu bedenken, dass beide Phänomene zusammenhängen. Sie klagen über durch Stau verstopfte Straßen, über den Mangel an Parkplätzen, über aggressives Fahrverhalten, Stress, eine große Zahl an Dauerbaustellen. Verdichtung schafft eben Dichte im Zusammenleben, mit allen Problemen.

Bereits das neue innerstädtische MainTor-Viertel auf dem ehemaligen Degussa-Gelände, auf dem mehrere Hochhäuser entstehen, wird das Dilemma dieser Stadtplanung verschärfen. Keinesfalls ist sichergestellt, dass jeder innerstädtische Hochhaus-Bewohner auch in einem der innerstädtischen Hochhaus-Bürotürme Arbeit findet. Insofern ist die Vorstellung der kurzen Wege, bei der sich die Bürger unter Verzicht auf das Auto nur noch zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen, eine romantische und unrealistische. Ähnlich sieht es mit dem teuren öffentlichen Nahverkehr aus, der bereits heute stellenweise überlastet ist und sich nur teilweise zum Transport von Waren oder Einkäufen eignet.

Jeder neue Bewohner wird vermutlich ein Auto mitbringen, das nicht nur in der Tiefgarage geparkt steht, sondern auch in regelmäßigen Abständen bewegt wird. Jeder Hochhaus-Bewohner wird also den Stau auf Frankfurter Straßen verstärken, nicht verringern. Auch hier folgt die deutsche Politik verhängnisvoll dem negativen Vorbild der USA.

Beitrag zum Verkehrsinfarkt

Bereits 2014 wurde auf dieser Internetseite geschrieben: "Die Verdichtung wird also unweigerlich mehr Automobil-Verkehr anziehen. Wenn man gleichzeitig die Fahrbahnen verengt, ist der Verkehrsinfarkt bewusst herbeigeführt, was wiederum die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt verschlechtert. Es sei denn, man erwartet naiv, dass die neu zuziehenden Anwohner allesamt kein Auto besitzen und die Büro-Pendler allesamt nur mit Bahn und Rad zur Arbeit kommen (was bei Pendlern aus Orten mit schlechter S-Bahn-Anbindung aber illusorisch ist)."

Selbst wenn viele Bewohner der Innenstadt und der innenstadtnahen Stadtteile auf ihre Autos verzichten und, ein innerstädtischer Arbeitsplatz vorausgesetzt, bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad fahren würden, nähme mit jedem Hochhaus der innerstädtische Verkehr zu. Neue Geschäfte und Supermärkte wollen von noch mehr Lieferanten gefüllt werden, die mit Lastern die Waren in die Stadt transportieren. Zusätzliche Paketzusteller werden das vermehrte Postaufkommen bewältigen müssen. Zusätzliche Müllwagen werden das gestiegene Aufkommen an Haus- und Verpackungsmüll in der Innenstadt beseitigen müssen.

Hinzu kommen Geschäftskunden von außerhalb, ebenso Gäste – oder meinen die tonangebenden Stadtplaner, dass die neuen Innenstadtbewohner nie Besuch von Freunden und Bekannten bekommen werden? Schon dies wird die Verkehrs- und Parkplatzsituation verschärfen und den Verkehrsinfarkt beschleunigen. Der Dauerstau, der die aggressive Stimmung in der Stadt verstärkt, wird also bewusst in Kauf genommen und sogar gefördert. Von Abgasen und Lärmbelastung gar nicht zu reden.

Viele negative Begleiterscheinungen

Des Weiteren werden Baustellen, Gerüstaufbauten und Straßenraumabsperrungen durch die teuren Pflegemaßnahmen von Hochhauskomplexen auch in Zukunft nicht verschwinden, sondern immer wieder auftauchen. Andere Probleme seien nur stichpunktartig genannt: Bei schwer zu pflegenden und zu überwachenden Hochhaus-Systemen besteht stets eine vergrößerte Gefahr von Anonymität, Zerstörungswut und Verwahrlosung, wenn die stete Überwachung nicht mehr gewährleistet ist. Wartung der Aufzüge, Organisation der Fensterputzer, der Treppenhausreinigung, der Müllbeseitigung – all dies muss stets gut überwacht und geplant werden.

Für die Lebensqualität der Bewohner stellt sich außerdem das Problem der Verschattung in den Straßenschluchten, ebenso der Entstehung von unangenehmen Windschneisen. Angesichts der überstürzt durchgeführten "Energiewende" drohen auch in Deutschland zukünftig vermehrt Stromausfälle. Was machen Bewohner im 25. Stock eines innerstädtischen Wohnhochhauses, wenn plötzlich weder Licht noch Fahrstuhl funktionieren? Wie sieht es mit dem Öffnen von Fenstern in derlei verdichteten Wohnarealen aus? Besteht die vermehrte Gefahr von Unfällen durch herabfallende Gegenstände oder Selbstmörder? Die Gefahr erfolgreicher Terrorangriffe steigt sicherlich auch mit der Verdichtung der innerstädtischen Räume.

Hinzu kommt der ästhetische Aspekt, denn neue Hochhäuser tragen nicht zwangsläufig zu einer optischen Verbesserung des städtischen Bildes bei. Gerade die geknickten Hochhäuser des "Palaisquartiers" hinter dem Einkaufszentrum "MyZeil" zeigen, dass Hochhäuser nicht nur ziemlich hässlich sein können, sondern auch historische Blickachsen durch ihre Penetranz empfindlich stören können. Innerstädtische Wohntürme müssen also durchaus kritisch betrachtet werden, zumal sie in der Regel primär Spekulationsobjekte von Immobilienanlegern sind. Eine maßgebliche Senkung der Mietkosten ist unter diesen Voraussetzungen also ebenfalls nicht zu erwarten.

Konsequenz der Wachstumsideologie

Die Lösung des Frankfurter Problems kann nicht in der Errichtung von Trabantenstädten auf innerstädtischen Acker- und Grünflächen liegen, die schon aus Gründen des Naturschutzes und der Frischluftzufuhr abzulehnen sind. Felder und Wiesen gehören unbedingt erhalten. Aber auch die innerstädtische Verdichtung durch neue Wohntürme wird mehr negative als positive Folgen haben.

Die Ursache des Problems liegt in der Wachstumsideologie der herrschenden politischen Parteien. Anstatt Maß halten zu wollen, auch was den Zuzug von Menschen in die Metropolen betrifft, ketten sich Parteien an die Hoffnung auf unbegrenztes Wachstum. Sie erhoffen sich davon zusätzlich Steuereinnahmen, weil sie nicht haushalten können und immer mehr Geld ausgeben. Dass das auf Kosten vieler umliegenden Landgemeinden geht, interessiert die Metropolen-Politiker nicht.

Da der Raum aber begrenzt ist, kann die Lösung nur in der Entflechtung liegen. Weniger ist manchmal mehr. Weniger Hochhäuser, weniger Verkehr, weniger den Einzelhandel bedrohende Einkaufscenter, weniger Flächenversiegelung bedeuten auch ein Mehr an Lebensqualität für die Bürger.
 

Marlis Lichtjahr

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